Almagest

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Ptolemäus mit personifizierter Astronomia[1]

Als Almagest (griechisch μαθηματική σύνταξις) bezeichnet man eines der zwei Grundlagenwerke der mathematisch begründeten Astrologie des im ägyptischen Alexandria wirkenden Claudius Ptolemäus (ca. 100 bis 160 n.Chr.), welches das vorherrschende astronomische Wissen der Antike zusammenfasste. Ursprünglich hieß das Buch Mathematike Syntaxis (deutsch „Mathematische Zusammenstellung“). Spätere Abschriften trugen den Titel Megiste Syntaxis („Größte Zusammenstellung“), was als al-madschisti (الكتاب المجسطي) in die arabischen Übersetzungen übernommen wurde und von dort als Almagest in den heutigen Sprachgebrauch überging.[2]

Bedeutung und Wirkung

"Epitom" des Regiomontanus[3]

Der Almagest beruht auf dem Geozentrischen Weltbild und arbeitet dessen astronomische Details aus. Im Gegensatz zu dem eher physikalisch geprägten Werk Hypotheseis ton planomenon („Hypothesen über die Planeten“) des Ptolemäus steht in ihm die mathematische Beschreibung der Himmelskörper-Bahnen im Vordergrund. Wegen seiner exakten mathematischen Modellierung und der dadurch eröffneten Möglichkeit der genauen Vorausberechnung entwickelte es sich zum Standardwerk der mathematischen Astronomie vom zweiten bis zum 17. Jahrhundert.

Das Werk verdrängte vollständig das Heliozentrische Weltbild, das Aristarch (310 - 230 v.Chr.) vertreten hatte. Für die Astrologen der Renaissance (14.-17. Jahrhundert) war es die Quellengrundlage für die Weiterentwicklung und Perfektionierung der gelehrten Astrologie. So präzisierte Valentin Naibod (1523 - 1593 n.Chr.) den Ptolemäus-Schlüssel (1 Grad in Rektaszension = 1 Lebensjahr) in "0°59'09", während andere versuchten, das Häusersystem zu verbessern. Der Almagest lieferte die mathematische Basis der Himmelsmechanik, praktische Messanleitungen, u.a. zur richtigen Berechnung des Medium coeli und eine Bauanleitung für die Armillarsphäre (Kapitel 5,1 Konstruktion des Astrolabs), während die Tetrabiblos (Vierbücher), als Auslegungshilfe für die astrologischen Phänomene diente.

Der Almagest ersetzte wegen seiner Qualitäten schon sehr früh alle anderen griechischen Astronomie-Schriften; so sind beispielsweise die Schriften des Hipparchos, auf denen der Almagest großenteils beruht, heute verloren. Ptolemäus systematisierte darin das gesamte antike Wissen über die Himmelsobjekte, nutzte dabei das hohe Niveau der griechischen Mathematik und bettete sein System in die aristotelische Physik ein. Heute gilt das Werk als Höhepunkt und Abschluss der antiken Astronomie.

Historische Überlieferung

Almagest-Übertragung durch Cremona[4]

Im neunten Jahrhundert wurde der Almagest den Arabern bekannt, und entwickelte sich zur Grundlage des astronomischen Beobachtens und Rechnens im arabischen Raum. Ab Mitte des zwölften Jahrhunderts wurde eine arabische Fassung davon durch Gerhard von Cremona ins Lateinische übersetzt. Die Astronomen Georg von Peuerbach und später Regiomontanus arbeiteten an besseren Übersetzungen, verstarben jedoch früh. Eine Zusammenfassung von Regiomontan, der „Epitom“, wurde erst zwanzig Jahre nach dessen Tod im Jahr 1496 gedruckt (s.u.). Dieses Kardinal Bessarion gewidmete Werk war für Jahrzehnte eine der wichtigsten Grundlagen der Astronomie; auch Kopernikus war Besitzer eines Exemplares.

In einer vollständigen lateinischen Fassung erschien der Almagest erst 1515 in Venedig. Der Druck der ersten griechischen Originalfassung erfolgte 1538 in Basel, wo 1543 auch die lateinischen Werke von Regiomontanus und Peuerbach über den Almagest erschienen, (s. u.). Erasmus Reinhold veröffentlichte 1549 den Almagest als griechisch-lateinische Gegenüberstellung.

Das 1543 in Nürnberg erschienene Werk „De Revolutionibus“ des Kopernikus, das in seiner Form an den Almagest anknüpfte, führte dazu, dass das im Almagest dargestellte Geozentrische Weltbild durch das Heliozentrische abgelöst wurde, wodurch der Almagest stark an Bedeutung für die Astronomie verlor.

Inhalt

Geozentrisches Weltbild

Geozentrisches Weltbild bei Cellarius 1660/ 61

Als "Vorbesprechung" stellt Ptolemäus einige Grundsätze auf:

  • Das Himmelsgebäude hat Kugelgestalt und dreht sich wie eine Kugel
  • Ihrer Gestalt nach ist die Erde, als Ganzes betrachtet, ebenfalls kugelförmig
  • Ihrer Lage nach nimmt sie als Zentrum die Mitte des ganzen Himmels ein
  • Ihrer Größe und Entfernung nach ist sie im Verhältnis zur Fixsternsphäre wie ein Punkt
  • Die Erde vollzieht ihrerseits keinerlei Ortsveränderungen verursachende Bewegungen

Die einfachen Vorstellungen von Kugeln und Kreisen standen jedoch nicht im Einklang mit den Beobachtungsdaten. Zwei Schwierigkeiten waren auffällig:

  • Die 1. Ungleichheit - Planeten durchlaufen die Bahnstücke mit ungleichmäßiger Geschwindigkeit
  • Die 2. Ungleichheit - Planeten bewegen sich teilweise in die entgegengesetzte Richtung, ihre Bewegungen ähneln einer Art Schleife

Epizykeltheorie

Darstellung der Epizykel im Epitom

Zur Erklärung dieser Phänomene gab es verschiedene Modelle. Ptolemäus übernahm in seinem Werk die Epizykeltheorie des Apollonios von Perge mit ihren Epizykeln und Deferenten, da diese Theorie im Vergleich zum älteren Kugelschalen-Modell des Eudoxos von Knidos den Vorteil hatte, dass man es erweitern konnte (Epizykeln höherer Ordnung). Von Hipparch von Nicäa hingegen stammte die Idee der exzentrischen Lage des Deferenten (Exzentertheorie). Wegen der ungleichmäßigen Geschwindigkeit benötigte Ptolemäus zusätzlich auch noch einen Ausgleichspunkt, den so genannten Äquanten: von diesem Punkt aus erschien die Bewegung eines Planeten dann wiederum gleichmäßig.

Theorie der Bewegung der Himmelskörper

Die Theorie der Sonnenbewegung des Hipparch wurde von Ptolemäus unverändert übernommen; er war jedoch der Meinung, dass dessen Theorie der Mondbewegung wegen deren Komplexität genauer darzustellen sei. Dank der sehr genauen, durch eben jenen Hipparchos überlieferten Daten, ermittelte Ptolemäus aber so exakte Werte, dass sie erst durch Tycho Brahe Ende des 15. Jahrhunderts spürbar verbessert wurden.

Trigonometrie

Der Almagest enthält unter anderem auch eine systematische Zusammenfassung der Kunst, aus der Messung von Winkeln und Strecken Entfernungen zu messen, woraus sich später die mathematische Trigonometrie (Dreiecksmessung) entwickelte. In Buch 1 findet man die berühmte Sehnentafel, einen Vorläufer der trigonometrischen Tafeln, von 0,5° bis 180° in 1/2°-Schritten (dies entspricht im wesentlichen der Sinustafel von 0,25° - 90° in 1/4°-Schritten). Es folgen weitere Sätze der Ebenen und Sphärischen Trigonometrie.

Sternenkatalog

Schließlich enthält der Almagest noch einen Sternenkatalog - bestehend aus Angaben zu 1025 Sternen in 48 Sternbildern. Dieser Katalog galt die nächsten 15 Jahrhunderte als stilbildend für den Aufbau, die Fachausdrücke sowie die Helligkeits- und Koordinatenangaben seiner Nachfolger.

Gliederung

Inhalt und Aufbau des Almagest: Er besteht aus 13 Büchern[5]

  • Buch 1: Grundzüge der aristotelischen Kosmologie: Himmelssphären, die Erde bewegungslos im Zentrum, die Fixsterne und Planeten umkreisen die Erde; die Schiefe der Ekliptik; Einführung in die spärische Trigonometrie; Sehnentafel
  • Buch 2: Über die Tagesbewegung des Himmels und der Himmelskörper: Auf- und Untergänge, Tageslänge, Bestimmung der geographischen Breite, Wendekreise, Schattenlängen zur Tagundnachtgleiche sowie zu den Sonnwenden, Beobachtungen, wie sich diese mit dem geographischen Standpunkt des Betrachters ändern; Studie über den Winkel der Ekliptik zur Vertikalachse (Meridian); mit Tabellen
  • Buch 3: Über die Jahreslänge und die Sonnenbewegung. Ptolemäus erklärt Hipparchs Entdeckung der Präzession der Tagundnachtgleichen und beginnt mit der Theorie der Epizykel
  • Buch 4-5: Theorie der Mondbewegung, der lunaren Parallaxe, Verschiebung des Apogäums; Größen und Entfernungen von Sonne und Mond relativ zur Erde
  • Buch 6: Mond- und Sonnenfinsternisse
  • Buch 7-8: Fixsternbewegung; Präzession; Sterne und Sternenkatalog (Verzeichnis der Sternbilder und Fixsterne); Einführung der Helligkeitsklassen (Magnituden) 1 bis 6, wahrscheinlich von Hipparch übernommen
  • Buch 9: Schöpfungsmodell für die sichtbaren Planeten; die Bewegung des Merkur
  • Buch 10: Die Bewegung von Venus und Mars
  • Buch 11: Die Bewegung von Jupiter und Saturn
  • Buch 12: Stationäre Phase und Rückläufigkeit
  • Buch 13: Über die Abweichung der Planetenbahnen von der Ekliptik
Ptolemäisches System[6]

Ausgaben

  • Epytoma Joanis de Monte Regio in Almagestum Ptolemaei. Johannes Hamman, Venedig 1496. Digitalisat der Universitätssternwarte Wien
  • Almagestum Cl. Ptolemaei. Petrus Lichtenstein, Venedig 1515. Digitalisat der Uni Wien
  • Georg von Peuerbach: Ioannis de Monte Regio et Georgii Purbachii Epitome, in Cl. Ptolemaei magnam compositionem Heinrich Petri, Basel 1543 als Digitalisat der BSB München; Digitalisat der SLUB Dresden
  • Johan Ludvig Heiberg: Claudii Ptolemaei opera quae exstant omnia, Teubner, Leipzig,
  • Karl Manitius: Des Claudius Ptolemäus Handbuch der Astronomie, Teubner, Leipzig,
    • 1. - 1912; 1963 (deutsche Übersetzung Buch I-VI) Online
    • 2. - 1912; 1963 (deutsche Übersetzung Buch VII-XIII) Online
  • Gerald J. Toomer (Hrg.): Ptolemy's Almagest, Univ. Pr., Princeton, 1998, ISBN 0-691-00260-6 (englische Übersetzung)

Weblinks

Sekundärliteratur

  • Gerd Grasshoff: The history of Ptolemy's star catalogue, Springer, New York, 1990, ISBN 3-540-97181-5 (Analyse des im "Almagest" überlieferten Sternenkatalogs)
  • Paul Kunitzsch: Der Almagest. Die Syntax mathematica des Claudius Ptolemäus in arabisch-lateinischer Überlieferung, Harrassowitz, Wiesbaden, 1974, ISBN 3-447-01517-9 (zugleich München Univ. Habilitationsschrift)
  • Olaf Pedersen: A survey of the Almagest, Univ. Pr., Odense, 1974 (detaillierte Erläuterungen zur Astronomie des Almagest)

Quellen und Anmerkungen

  1. Aus der Enzyklopädie Margarita Philosophica von Gregor Reisch, 1503
  2. Kunitzsch
  3. Titelbild des Almagest, Venedig 1496
  4. Zwölftes Jahrhundert, Vatikan-Museum
  5. Beschreibung der Bücher aus der englischen Wikipedia/Almagest übernommen
  6. Grafik von Peter Apian, Gemma Frisius (Petri Apiani cosmographia), Antwerpen, 1539

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