Anima/Animus

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Dante mit seiner Seelenführerin (Anima) Beatrix[1]

Definition

Anima und Animus sind zentrale Begriffe aus der Analytischen oder Komplexen Psychologie Carl Gustav Jungs, welche die moderne bzw. Psychologische Astrologie prägten.

Sich aufopfernder Held oder gesteuerter Sklave?[2]

Animus/ Anima sind, besonders in der Partnerschaftsastrologie häufig verwendete Begriffe, bei denen es um die inneren, archetypischen (Such-)Bilder zum jeweils anderen Geschlecht geht. Animus meint das weibliche Suchbild bzw. Seelenbild [3] - den inneren Archetypus - vom (jungen) Mann, den eine Frau sucht; Anima entsprechend den inneren Archetyp der (jungen) Frau in jedem Mann, das Suchbild, welches er unbewusst in sich trägt. Anima-Varianten sind z.B. die Geliebte, die Hure, das schlichte Gänschen [4], die Jungfrau. Animus-Varianten sind u.a. der Raubritter, der Krieger, Pan oder die Lichtgestalt Apollo.

Das im Inneren gehegte Bild hat mit der realen Partnerschaft häufig allerdings wenig gemein. Es wird von Vorstellungen geprägt, die aus einem unbewussten Bereich und Stadium stammen (frühkindlich, vorgeburtlich oder gar aus früheren Inkarnationen). Zum Wachstumsprozess eines Menschen gehört es, sich über diese inneren Vorstellungsbilder klar zu werden und sie bewusst in eine Partnerschaft zu integrieren.

"Die Anima verkörpert alle weiblichen Seeleneigenschaften im Manne, Stimmungen, Gefühle, Ahnungen, Empfänglichkeit für das Irrationale, persönliche Liebesfähigkeit, Natursinn und als Wichtigstes die Beziehung zum Unbewussten" (Franz, in Jung 1968, S. 177). "Der sozial ,starke Mann' ist im Privatleben öfters ein Kind seinen eigenen Gefühlszuständen gegenüber, seine öffentliche Disziplin (die er ganz besonders von den andern verlangt) wird privat jämmerlich zuschanden" (Jung 1933, S. 87). Im Positiven bewirkt die Anima-Figur, dass der Mann "überall im Halbdunkel des Unbewussten, wo sein Verstand weniger klar sieht, die richtigen Werte und Unwerte unterscheiden kann. Noch lebenswichtiger ist aber, dass ihm diese Gestimmtheit auf die richtigen Werte den Weg in die eigene Tiefe freigibt... Dann erreicht die Anima die Bedeutung einer Führerin nach innen" (Franz, in Jung 1968, S. 183).

Anima (Seele) und Spiritus (Geist) in einer alchemistischen Darstellung

Die Anima ist buchstäblich die Frau im Manne, sein inneres Weibliches. Sie bringt unverständliche Launen, macht ihn sentimental, labil und übersensibel, reizbar bzw. depressiv. Sie übertreibt gerne, ist vielgestaltig, schillernd, eine rätselhafte Sphinx, und dient als Grundlage seiner Liebesanziehung und -verstrickungen (beim "Verlieben") - wobei (in der Projektion) üblicherweise Äußeres und Inneres verwechselt werden bzw. bei der Frauenwahl unbewusst die eigene Schwäche (Ergänzung!) gesucht und angezogen wird. Im Lebensverlauf wird der Anima-Archetyp von dem kleinen Jungen zuerst auf die Mutter projiziert (übertragen); danach sind es Frauen, die in ihm das (irrationale) Gefühl ansprechen. Die Anima wird vom Mann idealisiert, verehrt, und verflucht; sie erscheint als Fee, Nixe, Prinzessin, aber auch als Hexe und Hure.

Sie produziert Verwirrungen im Verhältnis des Mannes zur Welt, fordert eifersüchtig ihre Abtrennung von außen (u.a. von einer realen Partnerin[5]); sie wünscht ihre eigene Anerkennung, dass eine Beziehung zu ihr hergestellt wird - was für den Mann hieße, auf sein Inneres zu achten. Dann wird sie zu seiner hilfreichen Begleiterin und Inspiration, dann erfüllt sie ihre eigentliche Funktion - nämlich als Mittlerin zum Selbst (dem zentralen Archetyp) und ermöglicht so erst wirkliche, unverzerrte - und nicht mit falschen Erwartungen überfrachtete - Beziehungen.

Der Archetyp der Anima durchläuft vier Entwicklungsstufen: vom Frauenbild der nährenden Eva zur betörenden Helena, von der angebeteten Maria zur weisen Sophia.

"Wie die Anima Launen, so bringt der Animus Meinungen hervor... Die Animus-Meinungen haben sehr häufig den Charakter von soliden Überzeugungen, die nicht leicht zu erschüttern, oder von Prinzipien, die anscheinend unantastbar ewig gültig sind". "Der Animus ist etwas wie eine Versammlung von Vätern und sonstigen Autoritäten, die ex cathedra unanfechtbare, ,vernünftige' Urteile aufstellen". "Animusmeinungen sind stets kollektiv und übergehen Individuen und individuelle Beurteilung, genau so wie die Anima mit ihren Gefühlsantizipationen und -projektionen sich zwischen Mann und Frau stellt" (Jung 1933, S. 101f.). Aber auch der Animus hat positive Seiten, denn wenn die Frau ihn bewusst assimiliert, "verwandelt er sich in einen ,inneren Gefährten' von höchstem Wert, der ihr positive männliche Eigenschaften, wie Initiative, Mut, Objektivität und geistige Klarheit verleiht" (Franz, in Jung 1968, S. 194).
Er ist der Mann (Geist, Logos) in der Frau, ihre Intuition. Als nicht integrierter, autonomer Komplex ("Denkteufel") hat er viele Stimmen, besteht aus aufgesetzten (vom Gefühl abgekoppelten) Meinungen, aus absoluten, festen Prinzipien, unhinterfragten Überzeugungen.[6] Empirisch (in Träumen, etc.) erscheint er meist in der Mehrzahl: als Rat der Ältesten, etc. Er ist das große Vorbild, der Märchenprinz, der Held, Retter und Erlöser - aber auch der Unterdrücker und Dämon, ein Ungeheuer, Zauberer, Heiliger und Prophet (dies sind allesamt Bilder, die von einer Frau auf potentielle Partner projiziert werden). Wie die Anima des Mannes ist er im Grunde ein Vermittler zwischen Ich und Psyche, soll er nach innen gewendet werden, als eine Art Seelenführer sich auf unbewusste Inhalte konzentrieren, diese näher beleuchten (fokussieren), erforschen bzw. auf den richtigen Begriff bringen.

Seine vier Stufen sind (ähnlich wie bei der Anima): körperlich - romantisch - geistig - weise.

Isis und der junge Seti (ihr Sohn)[7])

Astrologie und Horoskope

Allgemein geben die so genannten weiblichen bzw. männlichen Planeten Auskunft über die Anima-Animus-Vorstellungen. In den jeweiligen Geburtshoroskopen fallen die inneren Suchbilder entsprechend unterschiedlich aus.

Der Animus im Horoskop der Frau wird meist - etwas verkürzt - mit dem Geburts-Mars identifiziert, jedoch auch von ihrer Sonne abgebildet, sowie von der Haus- und Zeichenstellung und den Aspekten zu beiden Planeten geprägt. Werden diese zum Beispiel von Stier-Qualitäten bestimmt, sucht sie einen stabilen, sinnlichen und materiell gut ausgestatteten Partner, auf den sie sich verlassen kann. Bei einer Löwe-Prägung der männlichen Planeten sehnt sie sich bewusst oder unbewusst nach einem strahlenden Helden, den sie bewundern kann. Spannend wird die Partnerschaftsastrologie, wenn z.B. der Geburts-Mars einer Frau nicht ansatzweise mit der Geburts-Sonne korrespondiert.[8] Ein Widder-Mars verkörpert den Archetyp des jungen, rücksichtslosen Draufgängers, des Raubritters. Eine Sonne im Tierkreiszeichen Krebs jedoch den Typ "Familienvater".

Im Horoskop eines Mannes hingegen zeigt die Geburts-Venus samt ihrer Haus- und Zeichenstellung sowie den Aspekten - neben dem Geburts-Mond - sein inneres Anima-Bild. Eine "forsche" Widder-Venus bildet eine wesentlich andere Anima ab, als z.B. eine "sanfte" Fische-Venus. Ist diese andererseits skorpionisch geprägt, sucht er zumindest unbewusst eine leidenschaftliche Frau mit Tiefgang. Überwiegen jedoch die Zwillinge-Energien, sehnt er sich nach einer aufgeschlossenen, leichtfüßigen, intellektuellen Frau, die nicht auf den Mund gefallen ist und sich mit ihm stets Neuem öffnet. Zwei sehr unterschiedliche Archetypen sprechen also auf verschiedene Frauentypen an. Zu beachten bleibt bei der Gesamtdeutung, ob z.B. Venus und Mond sich ergänzende Anima-Archetypen abbilden, genauso wie Mars und Sonne bei der Frau. Die Hauspositionen der Planeten sind ebenso für die Animus-/ Anima-Bilder von Bedeutung.

Besonders bei älteren Generationen kann - im Rahmen tief verankerter traditioneller Vorstellungen und frühseelischer Prägungen - die Anima des Mannes, d.h. dessen eigentlich eigenen Mond- und Venus-Qualitäten, dauerhaft auf die Partnerin projiziert werden. Umgekehrt kann dies mit dem Animus der Frau in Form der auf den Partner projizierten männlichen Sonnen- und Mars-Qualitäten geschehen.

Grundsätzlich ist es für beide Geschlechter schwer, den realen Partner jenseits der eigenen Anima- oder Animus-Projektionen wirklich wahrzunehmen.

Siehe auch

Forscher verfolgt die Spuren der Natura[9]

Weblinks

Literatur

  • Carl G. Jung: Die Beziehungen zwischen dem Ich und dem Unbewussten, Zürich 1933
  • Emma Jung: Animus und Anima. Bonz-Verlag, Fellbach-Oeffingen 1990, ISBN 3-87089-341-9
  • Carl G. Jung: Der Mensch und seine Symbole, Olten 1968
  • Irene Claremont de Castillejo: Die Töchter der Penelope, Olten 1979
Über den Animus bzw. das weibliche Seelenleben
  • Jessie Adler Gral: Unser innerer Geliebter - Anima, Animus, der Schatten und das innere Kind in Liebesbeziehungen, 336 Seiten, Astrodata Wettswil 1995 ISBN 978-3-907029-47-3

Quellen und Anmerkungen

  1. Darstellung aus dem 14. Jahrhundert
  2. Abbildung der Atalanta fugiens, einer alchemistischen Schrift von Michael Maier (1618)
  3. Ludwig J. Pongratz: Hauptströmungen der Tiefenpsychologie. Stuttgart 1983, S. 352
  4. Pongratz, S. 353
  5. Etwa durch einen Beziehungsbruch
  6. Von modernen Frauen wird Jung oft vorgeworfen, dass er - im Vergleich zur männlichen Anima - den Animus der Frau überwiegend negativ darstelle
  7. Ägyptischer Tempel von Abydos, 13. Jahrhundert v.Chr.
  8. Eine Lösung wäre dann, wenn auch ihr Partner entsprechend widersprüchlich bzw. komplex ist
  9. Emblem 42 der alchemistischen Atalanta Fugiens. Sie zeigt eine Art Erkenntnistheorie des rosenkreuzerischen Geistesweges (= anthroposophische Schilderung der Goetheschen Phänomenologie): Der Forscher tritt mit seinen Füßen vorsichtig in die Fußstapfen der Göttin Natura, wobei er sich einer Laterne, einer Brille und eines Stockes bedient. Was bedeutet, man müsse die Spuren des geistig Wesenhaften in der Natur mit der eigenen Seelentätigkeit hervorbringen und sich ganz an sie anschmiegen (Fuß in Fußspur), dann erlebt man das Tun der Göttin nach. Zu Emblem 27 (Mann ohne Füße vor dem Philosophischen Rosengarten) hatte es noch geheißen: jeder Mensch habe zwei Seelentätigkeiten, nämlich experientia und ratio, d.h. Wahrnehmung/ Beobachtung und Denken, die er richtig anwenden müsse. Der Fortschritt ist nun: Dem geduldigen Liebhaber ihrer Spuren zeige sich die Natura, wenn man ihr lange im Dunkel folgt. Im Gedicht dazu charakterisiert Maier die Hilfsmittel des wahren und geduldigen Jüngers der Göttin (die Blumen und Früchte in ihren Händen trägt):
    Dein Führerin die Natur sey, welch'r du must folgen von weiten,
    Williglich, anderst du irrst, wo sie dich nicht thut leyten,
    Die Vernunfft sey dein Stab, und es muß stärcken die Erfahrnheit
    Dein Gesicht, daß du könnst sehen, was gelegt ist weit und breit,
    Daß Lesen sey wie ein Lamp im finstern leuchtend hell und klar,
    Dadurch du mögst verhüten der Sachn und Wörter Gefahr.
    Die Bezeichnung Alma Mater ("gütige, bzw. nährende, sorgende Mutter") für eine Universität bedeutet, dass die Studenten dort mit Wissen gefüttert werden