Bardesanes von Edessa

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Bardesanes' Geburtshoroskop (Mittagsstände)

Der frühchristliche Philosoph, Gnostiker, Theologe und Astrologe Bardesanes von Edessa wurde am 11. Juli 154 n.Chr. in Edessa (Mesopotamien, heute Urfa bzw. Şanlıurfa in der Türkei) geboren[1], er starb um 222. Der latinisierte Name Bardesanes leitet sich von Bar Daisan = Sohn des Flussgottes Daisan (ܒܪܕܝܨܢ, Bardaiṣān) ab.
Bedeutend ist er als Vermittler zwischen den Weltsichten der Kirche und der Astrologie.

Biographie

Bardesanes[2] entstammte einer reichen und hochgestellten syrischen Familie aus dem damaligen aramäischen Königreich Osrhoëne, weshalb er später auch den Beinamen "aramäischer Philosoph" erhielt. Seine Eltern Nuhama und Nah'siram ermöglichten ihm die Erziehung zusammen mit dem Kronprinzen des Reiches. Aufgrund politischer Unruhen musste die Familie ins babylonische Hierapolis (heute Mabog, Syrien) fliehen. Dort wurde Bardesanes vom babylonischen Priester Anuduzbar unterrichtet, der ihn wohl auch in die Babylonische Astrologie einweihte, was in für sein Leben prägte.

Im Alter von 25 Jahren beeindruckten ihn die Predigten von Hystaspes, Bischof von Edessa, so dass er zum Christentum konvertierte und sich taufen ließ, und danach sowohl predigte als auch missonierte. Als im Jahr 177 sein Jugendfreund Abgar bar Manu VIII. "der Große" (bis 212) an die Macht kam, erhielt er eine Stellung bei Hofe, wo er ein Leben in Reichtum führte. Es war wohl seinem Einfluss zu verdanken, dass Abgar sich zum Christentum bekehrte.

Nach der Eroberung von Edessa durch die Römer im Jahr 216 ging er nach Armenien, wo er vermutlich um 222 verstarb. Er hinterließ die drei Söhne Harmonius, Abgarun und Hasdu; insbesondere ersterer verbreitete nach dem Tode des Vaters weiterhin dessen Lehre und begründete so die "Bardesaniten".

Bardesanes versuchte in seiner Lehre Christentum mit Gnosis und der Astrologie zu vereinbaren. Hierfür wurden seine Anhänger später von den Christen, allen voran von Ephraem dem Syrer (306-373), verfolgt und der Häresie bezichtigt. Seine Schriften wurden - wohl deswegen - weitgehend vernichtet, so dass das meiste, was wir heute über ihn wissen, von seinen Gegnern stammt. Einzig der Traktat "Buch der Gesetze der Länder" (liber legum regionum) ist im Original erhalten. Bekannt ist Bardesanes auch als Vater des syrischen Kirchenliedes. Ephraem der Syrer kannte ein Buch von ihm mit 150 Psalmen oder Hymnen, darunter einen "Hymnus an die Seele"[3]. Trotzdem sie von der Kirche bekämpft wurden, hielten sich die Bardesaniten noch mindestens fünfhundert Jahre lang in Edessa.[4].

Astrologie

Was an astrologischen Schriften noch im Original erhalten ist, wurde von François Nau 1897 in dem Buch Une biographie inédite de Bardesane l'astrologue veröffentlicht.

Bardesanes kennt auch die Lehre der Monomörien, also der gradastrologischen Einzelschicksale; von Stuckrad[5] führt diese auf die Ägyptische Astrologie mit ihren 360 Dekanen zurück. Ebenso scheint er auf Elektionen gesetzt zu haben, ungewöhnlich für einen Christen jener Zeit, der üblicherweise auf Gott vertraute, dass er das Schicksal zum Rechten wenden werde.

Determination und Willensfreiheit

Kocku von Stuckrad zitiert Eusebius, Bardesanes sei "zum Gipfel der chaldäischen Wissenschaft vorgedrungen"[5]. Viel Aufmerksamkeit widmete er der Frage der Determination des Schicksals, wo er die Linie vertrat, dass die Gestirne das Schicksal des Einzelnen auf weltlich-körperlicher Ebene sehr wohl bestimmen (Heimarmene, entspricht in etwa dem Fatalismus, jedoch ohne dessen negative Konnotationen, sondern eher als Selbstverständlichkeit), nicht jedoch mundan auf der Ebene ganzer Völker Einfluss hätten. Damit spricht er den Gestirnen eine determinierende Wirkung nur in der Individualastrologie zu. In Einklang mit der christlichen Religion steht allerdings bei ihm Gott und sein Wirken über allem Gestirnseinfluss, was auch die vorherrschende Argumentation der christilichen Astrologen durch die Jahrhunderte war, um dadurch zu belegen, dass Astrologie und Christentum einander nicht widersprechen (vgl. z.B. Rensberger[6]). Damit hebt Bardesanes indirekt die Heimarmene als unabwendbares Schicksal auf. Trotzdem greift er die astrologischen Signaturen der Völker auf, wie sie beispielsweise in den Tetrabiblos überliefert sind.

Es wird berichtet, dass er in seinem späteren Leben der Astrologie, insbesondere der fatalistischen Sichtweise der Chaldäer, eher kritisch gegenüberstand. Anscheinend distanzierte er sich im Laufe der Jahre von seiner früheren Annahme der indiviudellen Heimarmene. Bei aller Kritik an einer deterministisch arbeitenden Astrologie verurteilte er jedoch jede Feindseligkeit ihr gegenüber, wie sie insbesondere von der Kirche, in Gestalt von Ephraem, gepflegt wurde[7]. Eine vollkommene Willensfreiheit lehnt er aber auch später ab: der Mensch unterstünde ebenso Gott, wie den Erzengeln, den Herrschenden, den weisenden Zeichen, den Naturgewalten, dem Volk und den Tieren. Hierbei sollte jede dieser Einflussgrößen auf einen Teilbereich der menschlichen Existenz wirken, niemals aber über den ganzen Menschen herrschen und ihm seine Willensfreiheit nehmen. Es ist davon auszugehen, dass er mit den "weisenden Zeichen" die Gestirnseinflüsse meinte[8].

Insbesondere die Audianer unter den Bardesaniten bewahrten in späteren Jahrhunderten noch die Verknüpfung der Astrologie mit christlichen, aber auch gnostischen Elementen [4].

Planetenzyklen

Bardesanes erkennt in den Planetenzyklen so etwas wie eine heilige Symmetrie: 60 Jahre entsprächen, stark idealisiert[5]:

  • 2 Saturnzyklen
  • 5 Jupiterzyklen
  • 40 Marszyklen
  • 60 Sonnenzyklen
  • 72 Venuszyklen
  • 120 Merkurzyklen

Astrologische Schriften

Bardesanes verfasste verschiedene astrologisch-theologische Schriften. Sie werden von Ephraem nur zitiert, lediglich Georgius, ein arabischer Bischof, zitierte kleine Teile, die von Nau (s.u.) wiedergegeben wurden, und die auch Grundlage der oben gegebenen Beschreibung der Astrologie von Bardesanes bilden.

Literatur

  • Adolf Hilgenfeld: Bardesanes, der letzte Gnostiker. 164 Seiten. T.O. Weigel, 1864 Google Books
  • Adalbert Merx: Bardesanes von Edessa: nebst einer Untersuchung über das Verhältnis der clementinischen Recognitionen zu dem Buche der Gesetze der Länder. 131 Seiten. C.E.M. Pfeffer, 1863 Google Books
  • Timothy Hegedus - Early Christianity and Ancient Astrology. Patristic Studies, New York 2007 ISBN-10: 0820472573 ISBN-13: 978-0820472577 16. Bardaisan (Google Books)
  • François Nau: Une biographie inédite de Bardesane l'astrologue. (20 Seiten) und: Le livre des lois des pays. ( Paris, 1897, 1899 online bei archive.org; PDF (französisch)

Quellen und Anmerkungen

  1. Die Wikipedia (franz.) beruft sich auf die Chronik von Edessa aus dem 6. Jahrhundert, wo dieses Datum genannt wird.
  2. Biographie aus der deutschen und englischen Wikipedia zusammengestellt.
  3. Wahrscheinlich identisch mit dem Perlenlied der Thomasakten, das ca. 225 in Edessa geschrieben wurde.
  4. 4,0 4,1 Horst Robert Balz: Theologische Realenzyklopädie, Band 5. Walter de Gruyter, 1980 S. 211
  5. 5,0 5,1 5,2 Kocku von Stuckrad: Das Ringen um die Astrologie. Walter de Gruyter, 2000 S. 657 ff.
  6. Nicolaus Rensberger: Astronomia teutsch. Augsburg 1569. Hier ist insbesondere die Vorrede von Bedeutung. Digitalisat der BSB München
  7. H.H. Schaeder: Bardesanes von Edessa in der Überlieferung der griechischen und der syrischen Kirche. In: Carsten Colpe (Hrg.): Studien zur orientalischen Religionsgeschichte. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1968, S. 124
  8. Tim Hegedus: Necessity and Free Will in the Thought of Bardaisan of Edessa. In: Laval théologique et philosophique, 59, 2 (juin 2003) S. 333-344 PDF