Geminos von Rhodos

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Darstellung einer Erdkugel, auf der gleichzeitig verschiedene Jahreszeiten herrschen[1]

Über Geminos von Rhodos, latinisiert Geminus (um 70 v.Chr. in Rom wirkend), sind nur die ungefähren Lebensdaten bekannt.[2]

Er war ein griechischer Astronom, Mathematiker und Stoiker, der im ersten Jahrhundert v.Chr. in Rom lebte.

Geminos war ein Schüler des Poseidonios. Er schrieb um 70 v.Chr. die Isagoge (Eisagoge eis ta phainomena, übersetzt: „Einführung in die Phänomene“, lateinisch: Elementa astronomiae), eine für seine Zeit herausragende astronomische Leistung. Darin beruft er sich wiederholt auf das Lehrgedicht Phainomeia des Aratos von Soloi (* ca. 310 v.Chr.; † 245 v.Chr.), sowie auf Hipparchos. Es gab von ihm außerdem ein mindestens sechsbändiges Werk zum mathematischen Denken, das allerdings nur aus Zitaten überliefert ist, sowie in arabischen Teilübersetzungen.

Von ihm stammt die erste Erwähnung eines Erdglobus: Er verwies auf Krates von Mallos, der einen Globus entworfen hatte.

Möglicherweise stammt der Mechanismus von Antikythera aus seiner Hand.

Werk: Elementa astronomiae

Folgende Besonderheiten, die er in einer gut nachvollziehbaren und erfrischenden Art und Weise skizziert, finden sich in seinem astronomischen Lehrbuch, worin astrologische Deutungsregeln, wie etwa die Aspektlehre, zwar immer wieder am Rande erwähnt werden, jedoch nicht im Mittelpunkt der Betrachtung stehen, sondern wohl vorausgesetzt werden:

  • Er schreibt über die Wende- und Polarkreise bis hin zu Bewohnern, die wegen der Kugelgestalt der Erde auf der gegenüber liegenden Seite der Erdoberfläche leben ("Gegenfüßler").
  • Er nahm bereits an, dass die Fixsterne sich in verschiedenen Entfernungen von uns befinden[3].
  • Die damals bekannten Planeten nannte er bildhaft:[4]
    • Saturn: Phainon ("Glänzender")
    • Jupiter: Phaethon ("Leuchtender")
    • Mars: Pyrhoeis ("Roter")
    • Venus: Phosphoros ("Lichtträger", lat. Lucifer)
    • Merkur: Stilbon ("Funkelnder")
  • Geminos erkannte, dass sich die Sonne im Laufe des Jahres unterschiedlich schnell bewegt[5]: für die Quadranten des Tierkreises stellte er eine unterschiedliche Anzahl an Tagen fest, die die Sonne benötigte, sie zu durchlaufen (1. Quadrant: 94 1/2 Tage, 2. Quadrant 92 1/2 Tage, 3. Quadrant 88 1/8 Tage, 4. Quadrant 90 1/8 Tage; Summe 365 1/4 Tage)[6]
  • Ebenfalls beschreibt er bereits, dass die Meridianachse nicht immer rechtwinklig zur Horizontachse steht, sondern stark abweichen kann (er nennt Schwankungen von 60° bis 120°).[7]
  • Seine angeführten Sternbilder stimmen weitgehend mit den von Ptolemäus bekannten Bezeichnungen überein, lediglich am südlichen Sternhimmel tauchen die beiden heute uns unter diesem Namen nicht mehr bekannten Bilder "Thyrusstab" (welchen der Zentaurus gefasst hält) und "Heroldslanze" (nach Hipparch) auf.[8]
  • Entsprechend des damaligen Standes der Erdachse an der Grenze zwischen Jungfrau/ Waage und Fische/ Widder beschrieb er Fische und Widder als gleichermaßen am schnellsten aufsteigende Zeichen, Jungfrau und Waage dagegen als die am langsamsten aufsteigenden.[9]
  • Bei den heliakischen Auf- und Untergängen unterscheidet Geminos einmal die wahren Auf- und Untergänge, also die tatsächliche Gleichzeitigkeit des Auf- oder Untergangs eines Gestirns mit der Sonne, zum anderen aber den sichtbaren Auf- bzw. Untergang, wenn also ein Gestirn gerade eben nicht mehr oder noch nicht von der Sonne überstrahlt wird.[10]
  • Der damals verbreiteten Astrometeorologie, nach der bestimmte Fixsterne (z.B. Sirius bei den Ägyptern) in ihrem heliakischen Auf- oder Untergang für bestimmte Wetterphänomene verantwortlich seien, erteilt er eine klare Absage, und zeigt, dass zwar eine Gleichzeitigkeit zu beobachten ist, die Ursachen jedoch in den Jahreszeiten liegen, die durch das jeweilige Verhältnis von Erde zur Sonne entstehen. Seine Begründung ist, dass die Fixsternsphäre viel zu weit weg sei, um das irdische Wetter zu beeinflussen.[11]
  • Interessant ist eine Bemerkung zum ägyptischen Kalender, der nur 365 Tage kannte und keinen Schalttag berücksichtigte: Nach seiner Darstellung war den Ägyptern die wahre Jahreslänge keineswegs unbekannt, doch war es ihre erklärte Absicht, dass sich die am Jahreslauf orientierten Feste der Götter im Laufe der Jahre verschoben (alle 120 Jahre um ein Tierkreiszeichen) und somit durch den Tierkreis wanderten.

Weblinks

Griechischer Text mit deutscher Übersetzung; Hrg. Manitius bei Teubner, Leipzig 1898

Literatur

  • Geminos: Introduction to the Phenomena ("Einführung in die Phänomene"), 2006 ISBN 0-691-12339-X (engl.)

Quellen und Anmerkungen

  1. Hildegard von Bingen: 'Werk Gottes' (Codex Latinus 1942 in der Bibliotheca Governativa di Lucca?)
  2. Daten von Wikipedia: Geminos von Rhodos
  3. Dass aber alle Sterne auf einer einzigen Fläche liegen, sei nicht anzunehmen, sondern vielmehr dass sie sich in teils größerer, teils geringerer Höhe befinden. Elementa Astronomiae, S. 13
  4. Wie andere Astronomen und Astrologen seiner Zeit, um Verwechslungen bei der Götterzuordnung vorzubeugen; Elementa, S. 14; siehe auch Thomas Schäfer, Vom Sternenkult zur Astrologie, Düsseldorf 1993, S. 136
  5. Je nachdem, ob sich die Erde im Perihel oder Aphel befindet
  6. Elementa, S. 15
  7. Elementa, S. 28 f.
  8. Elementa, S. 41
  9. Elementa, S. 99
  10. Elementa, S. 147 ff.
  11. Elementa Kap. 17, insbesondere S. 187; über Sirius ab S. 191