Georg Joachim Rheticus

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Frühmoderne Darstellung von Rheticus in einem Astronomie-Buch
Unterschrift von Rheticus
Geburtshoroskop von Rheticus

Der österreichische Mathematiker, Theologe, Kartograph, Astronom und Astrologe Georg Joachim Rheticus (auch: Rhetikus, Rhaeticus) wurde am 16.2.1514 um 1:51 Uhr LMT im österreichischen Feldkirch geboren.
Er starb am 4.12.1574 (oder 1576?) in Kaschau, damals Ungarn.

Nach der Hinrichtung seines Vaters nannte er sich zunächst nach dem Familiennamen seiner Mutter, Georg Joachim de Porris, eingedeutscht auch als Georg Joachim von Lauchen.

Geburtszeit von Rheticus

Als Quelle für die Geburtszeit gibt es zwei gleichlautende Angaben: zum einen das (unten abgebildete) handschriftliche Horoskop der anonymen Handschrift CLM 27003, aber auch die Analyse eines (ebenfalls handschriftlichen) Horoskops von Christian Paul Berger.[1] Der zitiert Karl-Heinz Burmeisters Rheticus-Biographie[2], worin das Horoskop abgebildet ist. Es entstammt der Handschrift des Wittenberger Studenten Nicolaus Gugler[3], einem Schüler von Rheticus. Die Vorlesungsmitschrift Guglers ist als Handschrift Cod. lat. 7395 der Pariser Nationalbibiothek geführt. Berger kann von beiden angegebenen Geburtszeiten die erste, innen angegebene (3:26 Uhr am 16.2.) schlüssig ausschließen; die zweite, außen angegebene Uhrzeit lautet umgerechnet auf eben 1:51 Uhr LMT. Damit sind die in den Horoskopen angegebenen Zeiten identisch.

Biographie

Rheticus ist der Sohn von Georg Iserin, dem Stadtmedicus von Feldkirch, der 1528 wegen Hexerei sowie Betrugs angeklagt und hingerichtet wurde - als sein Sohn Georg Joachim nicht einmal vierzehn Jahre alt war.
Der lernte zunächst an der Feldkircher Lateinschule, und studierte von 1528 bis 1531 in Zürich Mathematik; danach an der Universität Wittenberg, wo er sich 1536 den akademischen Grad eines Magisters der Freien Künste erwarb. Durch die Patronage von Philipp Melanchthon wurde er 1537 dort Professor für Mathematik und Astronomie. Im folgenden Jahr ermöglichte Melanchthon ihm eine längere Studienreise zu berühmten Mathematikern bzw. Astronomen. In Nürnberg besuchte er den Mathematiker und Herausgeber Johannes Schöner und den Drucker Johannes Petreius, die ihn vermutlich beauftragten, Nikolaus Kopernikus zur Herausgabe seines Hauptwerkes zu überreden. Zumindest gab ihm Petreius drei Bücher aus seinem Verlag als Geschenk für Kopernikus mit. Anschließend studierte er bei Peter Apian in Ingolstadt, bei Joachim Camerarius in Tübingen, und bei Achilles Gasser in seiner Heimatstadt.

Frontseite des Canon Doctrinae Triangulorum

1539-41 weilte er bei Kopernikus in dem abgelegenen Frauenburg. Dann lehrte er in Wittenberg, Nürnberg und bis 1545 in Leipzig. Bis 1548 war er dann wieder unterwegs: er besuchte Hieronymus Cardanus in Mailand und begann ein Medizinstudium in Zürich. Nach Wittenberg ging er jedoch nicht mehr zurück, zumal Martin Luther - aus theologischen Gründen - sein neues Heliozentrisches Weltbild ablehnte und heftig kritisierte. Philipp Schöbi: Er "folgte einem Ruf an die Universität Leipzig. Dort gab er unter anderem Buch 6 der "Elemente" des Euklid neu heraus (1549). Vor allem aber schuf er mit seinem Werk "Canon Doctrinae Triangulorum" (1551) die ersten trigonometrischen Tabellen über alle sechs Winkelfunktionen, die zudem erstmalig über die Seiten rechtwinkliger Dreiecke definiert wurden. Ein mathematischer Meilenstein, der eine solide rechnerische Grundlage lieferte für die Berechnungen künftiger Astronomen".[4] In Folge eines Skandals wegen untilgbarer Schulden und einer homosexuellen Affäre[4] mit einem seiner Studenten musste er jedoch Leipzig 1551 überstürzt verlassen und studierte danach Medizin in Prag. Ab 1554 lebte er in Krakau als praktizierender Arzt, und zog kurz vor seinem Tod nach Kaschau in Ungarn.

Der Asteroid Rhaeticus (Asteroidennummer 15949) wurde 2001 zu seinen Ehren benannt.

Kopernikanische Wende

Rheticus trug wesentlich zur Propagierung und Verbreitung des kopernikanischen Weltsystems bei und initiierte damit großenteils die Kopernikanische Wende. Er war der einzige Schüler des Kopernikus und konnte diesen bei seinem Aufenthalt in Frauenburg davon überzeugen, sein Hauptwerk in Druck zu geben. Während dieser Zeit gab er die erste Mitteilung darüber heraus, die sogenannte Narratio prima de libris revolutionum Copernici. Auf dem Weg nach Nürnberg zur Einleitung des großen Buch-Drucks veröffentlichte er noch in Wittenberg dessen mathematischen Teil, ergänzt durch von ihm berechnete Tafeln der Sinus- und Cosinusfunktionen.

Rheticus kümmerte sich drei Jahre später um die tatsächliche Drucklegung von Kopernikus' Hauptwerk in Nürnberg: ,,De revolutionubus orbium coelestium libri VI". Manfred Holl weist darauf hin, dass Kopernikus die Begeisterung seines Schülers keineswegs teilte, sondern eher zögerlich und unentschlossen der Veröffentlichung zustimmte, wobei es neuerdings Autoren gibt, die der Auffassung sind, Rheticus habe die Freigabe zum Druck sogar ohne Einwilligung des Verfassers erteilt! Die Korrektur der Druckfahnen von De revolutionibus musste er Andreas Osiander überlassen. Dieser nahm jedoch eine theologische Abhandlung Rheticus' über die Verträglichkeit des Heliozentrischen Systems mit der Heiligen Schrift heraus, und ersetzte sie anonym durch ein von ihm selbst verfasstes Vorwort, worin er das neue System als bloßes Rechenmodell vorstellte. Später gab Rheticus noch die Ephemeris ex fundamentis Copernici (Leipzig 1550) heraus.

Horoskop von Rheticus nach der Handschrift CLM 27003[5]

Astrologie

Die "Allgemeine Deutsche Biographie" schreibt über Rheticus' Einstellung zur Astrologie: "Doch beweisen diese Titel noch mehr, dass R. ein Mann von ausgebreitetster Gelehrsamkeit war, von dem es umsomehr auffallen muss, dass er bis an sein Ende ein überzeugter Anhänger der Astrologie geblieben ist."[6].

Als astrologische Lehrer von Rheticus nennt Jesse Kraai (S. 7)[7] sowohl Johannes Volmar als auch Johannes Stöffler. Wie Kraai weiter ausführt, ist die Astrologie von Rhethicus vor allem von den damals bedeutsamen antiken und arabischen Astrologen geprägt. Er war davon überzeugt, dass es eine physikalische Beeinflussung durch die Himmelskörper geben müsse, nämlich über das Licht und dessen vier aristotelischen Qualitäten bzw. Elementen (Warm, Kalt, Feucht und Trocken), welche für die astrologische Wirksamkeit verantwortlich seien.

Werke

  • In Arithmeticen Praefatio, Wittenberg 1536 Digitalisat der BSB München
  • Narratio prima de libris revolutionum Copernici, Danzig 1540. Neuausgabe bei Zeller 1965, 38 Seiten
  • Tabula chorographica auff Preussen und etliche umbliegende lender, 1541. zitiert in: Nicolaus Copernicus Gesamtausgabe Bd. VIII/1: Receptio Copernicana, S. 586. Akademie Verlag 2002
  • Chorographia tewsch, 1541. Enthalten in: Nicolaus Copernicus Gesamtausgabe Bd. VIII/1: Receptio Copernicana, S. 77-87. Akademie Verlag 2002
  • N. Copernicus und Rheticus: De lateribus et angulis triangulorum; Vittembergæ: excusum per Iohannem Lufft, 1542
  • Tabulae astronomicae in gratiam studiosae iuventutis seorsim editae: de ascensionibus signorum: in sphaera recta et obliqua ad latitudinem 52. graduum; Tabula declinationum ex solis per quadrantem; Ordo climatum et parallelorum ex Ptolmaei sententia 1545 Digitalisat der BSB München
  • Ephemerides novae, Lipsiae: Ex officina VVolphgangi Gvnteri, anno 1550 Digitalisat der BVPB Madrid
  • Ephemerides Novae Seu Expositio Positus Diurni Siderum Et "synschematismōn" praecipuorum ad Ann. redemtoris nostri Iesu Christi Filij Dei, M. D. LI. Qui est primus annus Olympiados D. LXXXII. exquisita ratione & accurato studio elaborata. Lipsiae 1550
  • Prognosticon oder Practica Deutsch, auff das jar Christi M.D.LI. gestellet. Valentin Bapst, Leipzig 1550
  • Canon doctrinae triangvlorvm. Lipsiae 1551
  • Des Georg Joachim Rhetikus Erster Bericht über die 6 Bücher des Kopernikus von den Kreisbewegungen der Himmelsbahnen. übersetzt und eingeleitet von Karl Zeller. 136 Seiten. Oldenbourg 1943

Literatur

  • Dennis Danielson: The First Copernican: Georg Joachim Rheticus and the Rise of the Copernican Revolution. Walker & Company 2006. ISBN 0802715303
Rhetikus-Horoskop von Gugler[8]

Quellen und Anmerkungen

  1. Paul Christian Berger: Georg Joachim Rheticus’ Geburtshoroskop aus astronomisch-chronologischer Sicht, Montfort, 44, 1992 S. 144-150 Digitalisat der Österreichischen Nationalbibliothek
  2. Karl-Heinz Burmeister: Georg Joachim Rheticus 1514-1574. Eine Bio-Bibliographie. Wiesbaden 1967/ 68 Bd. 1, S.7
  3. Biographische Informationen zu Gugler: "Gugler studierte von 1536 bis 1538 in Wittenberg Astronomie und Medizin. Damit war er ein Schüler von Georg Joachim Rheticus (1514-1574). In der Pariser Nationalbibliothek hat sich sein Kollegheft von 1538 erhalten, welches das Horoskop von Albrecht Dürer enthält (Cod. Lat. 7395)"
  4. 4,0 4,1 Philipp Schöbi: Rheticus – der erste Kopernikaner (2011)
  5. Da sich die angegebene Zeit immer auf die Mittagsstände bezieht, ergibt sich hieraus die Zeit von 1:51 Uhr LMT des Folgetages, damit der 16.2.
  6. ADB:Rheticus, Georg Joachim (2. Artikel) (wikisource.org)
  7. Kraai, Jesse: Rheticus' Heliocentric Providence: a study concerning the astrology, astronomy of the sixteenth century
  8. 1538, im Cod. lat. 7395 der Pariser Nationalbibliothek. Zeitangabe links: Ioach[imus] reticus alias 1514 die 16 febru[arii] M[inuta] 9 ante H[ora] 2 matutinam

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