Geschichte der Astrologie

Aus Astrodienst Astrowiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Der Stern von Bethlehem

Die Beobachtung des Sternenhimmels ist vermutlich so alt wie die Geschichte der Menschheit. Dabei ging es nicht nur um den erhabenen Anblick, dem sich noch heute selbst rationale Geister nicht entziehen können. Sonne und Mond, Fixsterne und Planeten waren schon immer wichtige Orientierungspunkte für das Bedürfnis des Menschen, seinen Platz im Universum zu bestimmen und sich mit dessen Kräften auszusöhnen. Dabei bedeutet Himmelsbeobachtung (Astronomie) noch keine Astrologie.

Antike

Die ältesten sicheren Spuren der Astrologie lassen sich bis etwa 2.500 Jahre vor unserer Zeitrechnung in Mesopotamien zurückverfolgen. Träger der Kultur waren die Sumerer und Babylonier. Europäische Zeugnisse der frühen Himmelsbeobachtung wie Stonehenge in England lassen vermuten, dass man sich auf die Sonne konzentrierte.

Offenbar erkannten die Menschen bei der Himmelsbeobachtung schon bald, dass es gewisse Zyklen gibt, die mit einiger Erfahrung vorausberechenbar sind. Aus dem Jahr 1970 vor Christus stammt die älteste erhaltene Ephemeride. Mit bestimmten Phasen der Zyklen konnten bald positive oder negative Erwartungen verknüpft werden. Das war der Beginn der Prognose. Darüber hinaus achteten die Beobachter des Sternenhimmels auf besondere Erscheinungen wie Finsternisse, aber auch auf weniger auffällige Phänomene, etwa ob der Mond einen Hof hatte oder welche Färbung die Planeten aufwiesen. Aus diesen Beobachtungen wurden Prognosen über das Schicksal des Staates erstellt.

Bei den Hochkulturen der Ägypter und Chinesen kam zu der Himmelsbeobachtung das Wissen um die Qualität der Zeit hinzu. Dadurch wurde die Prognose erheblich verbessert. Dennoch unterscheiden sich all diese Systeme grundlegend von der abendländischen Astrologie. Letztere hat sich zwischen dem siebten und vierten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung entwickelt. Die Erkenntisse der Himmelsbeobachtung in Mesopotamien sowie das mathematische Verständnis der aufkommenden griechischen Kultur führten zu dieser Synthese. Zwar kannten die Babylonier die Sternbilder und erschufen den vollständigen Tierkreis, die griechische Kultur entdeckte aber die Präzession und entwickelte die für das Häusersystem wichtige sphärische Vorstellung vom Kosmos, sowie die Lehre von den vier Elementen.

Das waren die Voraussetzungen für die Astrologie, wie sie im Wesentlichen bis heute weitergegeben wird. Sie bestand aus dem zwölfteiligen Tierkreis, den Anfängen eines Häusersystems mit dem Aszendenten, den sieben klassischen Planeten, benannt nach den Gottheiten des griechischen Olymp (später in ihrer römischen Version) sowie den Aspekten. Die älteste überlieferte Geburtskonstellation - ein so genanntes Keilschrift-Horoskop - stammt aus dem Jahr 410[1] vor unserer Zeitrechnung. Im heutigen Sinne wurde damit weder ein Horoskop erstellt, denn es wurden nur die Planeten-Positionen der Geburt, oft nur allein mit der Tierkreis-Angabe, notiert[2], noch wurde eine Horoskopdeutung geleistet, von wenigen, äußerst knappen Bemerkungen abgesehen[3]. Etwa im zweiten Jahrhundert v.Chr. nahm das astrologische, aber nicht direkt überlieferte Werk von den wohl legendären Verfassern Nechepso und Petosiris großen Einfluss auf die griechische Astrologie und zahlreiche Astronomen/Astrologen[4].

Die führenden Astrologen waren gleichzeitig Astronomen. Persönlichkeiten wie Hipparchos (etwa 190-125 v. Chr.) und Dorotheos von Sidon, Vettius Valens oder Claudius Ptolemäus (etwa 100-160 n. Chr.) prägten mit ihren Erkenntnissen und Werken die Astrologie auf viele Jahrhunderte bis weit in die Neuzeit, allerdings im Mittelalter besonders über die Arabische Astrologie und ihre Übersetzertätigkeit in Spanien vermittelt.

Im Römischen Reich war die Astrologie nicht länger einer kleinen Priester- und Herrscherschicht vorbehalten. Sie öffnete sich und entwickelte die Individualastrologie für gut situierte Bürger. Dadurch verflachte sie im Laufe der Zeit jedoch auch. Das tiefe Wissen um die kosmischen Zusammenhänge blühte in esoterischen Kulten weiter, die von unterworfenen Völkern übernommen wurden, so der Mithras-Kult aus Persien oder der Isis-Kult aus Ägypten. Mit dem Aufkommen des Christentums ging der Einfluss der Astrologie spürbar zurück. Ungeachtet einzelner Förderer lehnte die Mehrheit der Theologen die Astrologie ab.

Niederaltaicher Turmhoroskop[5]

Arabische Astrologie

Dem aufstrebenden arabischen Weltreich war es zu verdanken, dass vieles von dem antiken astrologischen Wissen der Nachwelt erhalten blieb. Im 9. und 10. Jahrhundert waren Bagdad und Kairo die Zentren der Gelehrsamkeit, in denen sich auch die Astrologie großer Wertschätzung erfreute. Die bedeutenden antiken Werke wurden übersetzt, auch und gerade im islamischen Spanien, und das Wissen aufgrund mathematischer und astronomischer Fortschritte erweitert. Die von der arabisch-islamischen Kultur geprägte Epoche der Astrologie hielt sich in Spanien bis zum 15. Jahrhundert, dann setzte auch im Islam ein Niedergang der Astrologie ein, der bis heute anhält.

Renaissance

In Europa dagegen kam es im ausgehenden Mittelalter zu einer Renaissance der Astrologie, die ihre wichtigsten Anstöße aus Spanien erhielt. Dort herrschte nach der Vertreibung der Mauren für kurze Zeit eine sehr tolerante Atmosphäre, die viele Wissensgebiete befruchtete. Toledo in Spanien und Chartres in Frankreich wurden zu den neuen Zentren der Astrologie.

Die Aufbruchstimmung der Neuzeit förderte die alte Sterndeutung ganz außerordentlich. Die Reform des Kalenders durch Papst Gregor, die Erfindung des Buchdrucks sowie der mechanischen Uhr, die Entdeckung der Planetengesetze durch Johannes Kepler und die verbesserten mathematischen Grundlagen bei der Berechnung der Häuser schufen ihr eine neue Basis. Zum letzten Mal arbeiteten Astrologie und Astronomie Hand in Hand. Tycho Brahe und Kepler leisteten nicht nur Bahnbrechendes bei der Himmelsbeobachtung und der Systematisierung der naturwissenschaftlichen Gesetze, sondern sie praktizierten auch die Astrologie.

Tycho Brahes Sternwarte Stjerneborg auf der Insel Hven

Die neuen Erkenntnisse um den Aufbau des Kosmos (heliozentrisches Weltbild) konnten die Basis der Astrologie nicht erschüttern; im Gegenteil, andere Naturwissenschaften beriefen sich ausdrücklich auf sie. Paracelsus (1493-1541), der Wegbereiter der modernen Medizin, erklärte: "Wer will denn ein Arzt sein, der den äußeren Himmel nicht kennt? Aus dem äußeren Himmel muss der Arzt den inneren einsehen, um daraus für seinen Kranken zu bilden das innere Firmament (die Arznei)." Zahlreiche gekrönte Häupter und sogar Kirchenfürsten wie Papst Paul III. hielten sich Hofastrologen.

Aufklärung

Die Blütezeit der Astrologie dauerte bis zur Ära des Barock im 17. Jahrhundert. Danach setzte ein Niedergang ein, der mehrere Ursachen hatte. Die Fortschritte der Naturwissenschaft machten deren Vertreter glauben, den gesamten Kosmos physikalisch erklären zu können. Dieser Positivismus ließ der Astrologie keinen Raum mehr. Darüber hinaus verstärkte sich der Widerstand in den christlichen Kirchen. Der Reformator Martin Luther (1483-1546) hatte die Astrologie schon frühzeitig abgelehnt; die Jesuiten, die durch die Gegenreformation zum einflussreichsten Orden innerhalb der katholischen Kirche wurden, verwarfen sie ebenfalls. Die Aufklärung im 18. Jahrhundert tat ihr Übriges, um die Astrologie aus den Universitäten und dem öffentlichen Bewusstsein zu vertreiben. Die Entdeckung des Planeten Uranus 1781, die das alte System der sieben klassischen Planeten sprengte, schien ihr den endgültigen Todesstoß zu versetzen.

1817 endete in Deutschland die akademische Epoche der Astrologie: Professor Johann Wilhelm Pfaff, Mathematik- und Astronomie-Professor an der Universität Erlangen, versuchte dort, nach langer Zeit, wieder eine astrologische Vorlesung zu etablieren, nachdem er im Jahr zuvor ein astrologisches Lehrbuch veröffentlichte, er erntete dafür jedoch von seinen Fachkollegen harsche Kritik und musste diesen Versuch wieder beenden.

Der Dürer zugeschriebene Syphilitiker von 1496[6]

Neuzeit

Doch die Astrologie war nicht am Ende. Seit dem 19. Jahrhundert erlebt sie eine neue Blüte, die bis heute anhält. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Äußere Entwicklungen wie die Einführung der Zeitzonen 1884 erleichterten die Arbeit mit ihr erheblich. Es gelang ihr zudem, sich neuen (wissenschaftlichen) Entdeckungen zu öffnen und diese in ihr System zu integrieren. Das betraf nicht nur die neu entdeckten Planeten, sondern auch die Psychologie, mit der ein fruchtbarer Austausch entstand. Einige ihrer Vertreter wie Carl Gustav Jung erhielten von der Astrologie wichtige Impulse. Gleichzeitig nutzten Astrologen wie Dane Rudhyar und Thomas Ring tiefenpsychologische Erkenntnisse zu einer grundlegenden Reformierung der Astrologie (Revidierte Astrologie).

In der zweiten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts geriet die Naturwissenschaft zunehmend an ihre Grenzen. Ihre bahnbrechenden Forschungen führten zu immer neuen Fragen, sodass viele Wissenschaftler um die Jahrtausendwende einen kosmischen Plan hinter dem Universum nicht mehr ausschließen. Allerdings sind die Vorbehalte gegenüber der Astrologie noch immer groß.

Die heutige Astrologie vereint alle Elemente, die ihre Geschichte geprägt haben: Es gibt die niveauvolle Forschung und Deutung, die in engem Austausch mit anderen Disziplinen steht, ebenso wie die Verflachung und Kommerzialisierung der Trivialastrologie. Und es gibt die grundlegende Ablehnung durch die Mehrzahl der Wissenschaftler.

Siehe auch

Die Drahtzieher der Macht

Weblinks

Sehr weitgespannter Vortrag
Hans-Georg Gundel

Literatur

  • Thomas Schäfer, Vom Sternenkult zur Astrologie. 213 Seiten. Walter-Verlag, Düsseldorf 1993 ISBN 3530728705
  • Peter Berling: Zodiak. Die Geschichte der Astrologie. Elemente, Symbole und Hintergründe von den Anfängen bis in die Gegenwart. 448 Seiten. Ullstein Verlag 2002 ISBN 3550075367
  • James Herschel Holden: A History of Horoscopic Astrology. American Federation of Astrologers, Tempe (USA) 2006 (2. Auflage), 375 Seiten
Wichtigster englischsprachiger Titel zur Geschichte der Astrologie, der die Entwicklungen seit Beginn der Horoskopdarstellungen und -deutungen im Babylon des 5. Jahrhunderts v.Chr. nachzeichnet bis in die Gegenwart der verschiedenen westlichen Länder. Kein anderes lieferbares Werk nennt und bespricht so viele Astrologen, von der Spätantike, über die arabische, mittelalterliche, neuzeitliche, europäische und nordamerikanische Astrologie-Entwicklung
  • Wilhelm Gundel/ Hans Georg Gundel: Astrologumena. Die astrologische Literatur in der Antike und ihre Geschichte. Franz Steiner Verlag, Wiesbaden 1966, 382 Seiten
Akademisches Standard-Werk zur astrologischen Literatur der Antike. Vielfach zitiert in europäischen und nordamerikanischen Veröffentlichungen zum Thema
  • Kocku von Stuckrad: Geschichte der Astrologie: Von den Anfängen bis zur Gegenwart. 412 Seiten. C.H. Beck München 2003; 2007 ISBN 340654777X ISBN 978-3406547775
Umfassende Darstellung der Astrologie allgemein und ihrer (westlichen) Geschichte. Ein Schwerpunkt liegt auf der Astrologie-Entwicklung seit dem 19. Jahrhundert in verschiedenen Ländern und der Darstellung der modernen Schulen und Strömungen, mit Vertiefung der deutschsprachigen Entwicklung
  • Wilhelm Knappich: Geschichte der Astrologie. 400 Seiten. Klostermann-Verlag 1967; 1988 ISBN 978-3465029847
Gilt seit seiner Veröffentlichung 1967 als bestes Werk zur allgemeinen Astrologie und Astrologie-Geschichte. Es wird häufig als Referenz-Titel genannt, auch in der angelsächsischen Astrologie-Literatur
  • Ellic Howe: Uranias Kinder: Die seltsame Welt der Astrologen und das Dritte Reich. Beltz-Athenäum, 1995 (englische Originalausgabe 1967)
  • Annett Klingner: Heimliche Regenten. Astrologen als Drahtzieher der Macht. 240 Seiten. Heyne, 2012. ISBN-10: 3899105567, ISBN-13: 978-3899105568
  • Annegret Becker-Baumann: Die Sterne zwingen nicht - Astrologie im späten Mittelalter, Meridian 4/ 2017

Quellen und Anmerkungen

  1. Das älteste Horoskop ist exakt auf den 29. April 410 v. Chr. datiert. Siehe Annegret Becker-Baumann, Vom Sternenkult zur Horoskopdeutung, Meridian 2/ 2018
  2. Francesca Rochberg: Babylonian horoscopes. Philadelphia/ USA 1998, S. 7
  3. Siehe Rochberg, Babylonian horoscopes, S. 51ff.
    Die Keilschrifttexte zu den Geburtskonstellationen enthalten meist lediglich die Tierkreiszeichen der Planeten und Vermerke zu ihrer Sichtbarkeit, nur beim Mond wird öfter die genauere Position angegeben. Deutungen erfolgen sehr selten, mit knappen Schlagworten.
  4. Lexikon der Alten Welt. Artemis-Verlag, München 1990, S. 2072
  5. Für die Grundsteinlegung der Klosterkirche am 24.7.1514
  6. Annegret Becker-Baumann: "Hier ist die seltene Planetenhäufung (eine Große Konjunktion) vom November 1484 dargestellt, wenn auch im Zusammenhang mit dem Ausbruch der Syphilis um 1495". Die besondere Konstellation fand am 19. Oktober 1484 julianisch statt, nämlich eine Sonne-Mond-Konjunktion sowie weiterer vier Planeten (Merkur, Venus, Jupiter und Saturn) im Skorpion. Mars stand auf dem letzten Grad im eigenen Zeichen Widder. 11 Jahre später brach in Neapel die große Syphilis-Epidemie aus, deren Auftreten man mit dieser Unglückskonstellation in Verbindung brachte.