Hieronymus Cardanus

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Cardanus mit 71 Jahren
Geburtshoroskop von Cardano

Der Italiener Gerolamo Cardano (auch Geronimo oder Girolamo, lateinisch Hieronymus Cardanus, englisch Jerome Cardan[1]),

  • geboren am 24.9.1501 jul. um 18:40 Uhr LAT in Pavia[2]
  • gestorben am 21.9.1576 in Rom

war Arzt, Philosoph und Mathematiker, und zählt zu den großen Renaissance-Humanisten.

Biographie

Cardanus wurde 1501 als vermutlich unehelicher Sohn des Mailänder Rechtsgelehrten Fazio Cardano und der sehr viel jüngeren Witwe Chiara Micheria in Pavia geboren. Er studierte ab 1520 in Pavia, Mailand und Padua. 1524 war er Rektor der Universität Padua, an der er auch in Medizin promovierte. Er hatte ein sehr wechselvolles Leben, in dem sich Phasen großer Armut und bescheidenen Reichtums abwechselten.

Von 1526 bis 1532 arbeitete er als Arzt in Sacco (in der Nähe von Mailand), wo er 1531 Lucia Bandarini heiratete. Aus dieser Ehe gingen zwei Söhne und eine Tochter hervor. Ab 1534 war er Arzt am städtischen Armen- und Krankenhaus in Mailand und erhielt Lehraufträge an der Akademie für Vorlesungen in Mathematik, Astrologie und Architektur. 1539 wurde er nach langen Streitigkeiten in das Kollegium der Mailänder Ärzte aufgenommen und wurde 1541 Rektor dieses Kollegiums. Ab 1543 hielt er in Mailand Vorlesungen über Medizin. 1544 nahm er einen Ruf als Professor für Medizin in Pavia an.

Durch seine seit 1539 von dem Nürnberger Verleger Johannes Petreius gedruckten Werke, die zum Teil in Frankreich und der Schweiz nachgedruckt wurden, gelangte er zu europaweiter Berühmtheit. So erhielt er 1546 Angebote von Papst Paul III., 1547 von König Christian III. von Dänemark und vom schottischen Erzbischof John Hamilton (St. Andrews) für hochdotierte Stellungen als Leibarzt. Die Angebote lehnte er ab, reiste aber 1552 über Lyon und Paris nach Edinburgh. Dort heilte er erfolgreich Hamilton, der zuvor von den Leibärzten König Heinrichs II. und danach von Ärzten Kaiser Karls V. vergeblich behandelt worden war. Die Rückreise führte ihn über England, die Niederlande, Deutschland und die Schweiz, mit zahlreichen Begegnungen mit Wissenschaftlern, Herrschern und Bischöfen.

Cardanus, "der Mailänder", mit 68 Jahren

In der Folge erhielt er Angebote als Leibarzt des schottischen Königs, des französischen Königs Heinrich II., des deutschen Kaisers Karl V. und des Herzogs von Mantua sowie als Ingenieur für den französischen Vizekönig Brissac, die er jedoch allesamt ablehnte. Von 1560 bis 1562 nahm er nach zwischenzeitlicher schriftstellerischer Tätigkeit und medizinischer Praxis seine Professur in Pavia wieder auf, die er dann aber wegen Zahlungsunfähigkeit der kleinen Universität endgültig einstellte. 1563 übernahm er eine Professur für Medizin an der Universität Bologna und wurde später mit der Ehrenbürgerschaft Bolognas geehrt.

1570 wurde er von der Inquisition wegen Häresieverdachts inhaftiert, vermutlich weil er es gewagt hat, ein Horoskop für die Geburt Christi zu erstellen. Er wurde nach drei Monaten Haft auf Kaution wieder freigelassen, es wurde ihm allerdings nahegelegt, auf seine Professur in Bologna zu verzichten, nicht mehr zu publizieren und stattdessen mit einer päpstlichen Pension versehen nach Rom zu übersiedeln. Andererseits sorgte der Vatikan für seine Aufnahme in das römische Ärztekollegium.

Cardano starb sechs Jahre später in Rom.

Cardanus gilt als einer der letzten großen Universalgelehrten der Renaissance mit einer erstaunlichen internationalen Bekanntheit zu Lebzeiten, die damals sonst eher bei prominenten Künstlern und Literaten zu beobachten war. Die Vielzahl der Wissensbereiche, die er in Form von Vorlesungen und Schriften bearbeitete, reicht über Medizin, Mathematik, Philosophie, Vergleichende Religionswissenschaft, Physik, Chemie, Ingenieurswissenschaften, Pharmazie, Psychologie und Traumdeutung, Astronomie und Astrologie bis zur Architektur und Wissenschaftsgeschichte. Nach ihm benannt sind die kardanische Aufhängung (davon abgeleitet auch das Kardangelenk) und in der Mathematik die cardanischen Formeln für kubische Gleichungen sowie in der Geometrie die cardanischen Kreise.

Cardanus schrieb über 230 Bücher in unterschiedlichen Wissensgebieten, von denen 138 gedruckt wurden. Die erste Gesamtausgabe seiner Werke (Opera omnia) erschien 1663 in Lyon.

Seine Autobiographie De Vita Propria liber gilt als ausgesprochen modern und für dieses literarische Genre wegweisend (sie beeinflusste in ihrer Diktion Jahrhunderte später noch Goethe). Sie war - explizit auf der Basis seines Horoskops - sehr psychologisch, detailliert, reflexiv und selbstkritisch (beschönigte etwa keineswegs sein Laster des Glücksspiels).[3][4]

Ihm zu Ehren wurde der Mondkrater Cardanus benannt.

Original-Horoskop von Cardanus[5]
Die Stirnlinien bei Cardano
Cardano

Astrologie

Cardanus beschäftigte sich intensiv mit Astrologie und Traumdeutungen. Er erstellte zahlreiche Horoskope (u.a. für Francesco Petrarca, Erasmus von Rotterdam, Albrecht Dürer) und beschäftigte sich mit der Deutung von Vorzeichen und Vorahnungen. Dies brachte ihm im 18. Jahrhundert den Ruf eines Schwärmers ein. So urteilte Leibniz über ihn: "Es scheint, das Wissen hat einen Zauber, den die nicht begreifen können, die von ihm nie ergriffen worden sind. Ich meine nicht bloß Tatsachenwissen, das keine Gründe kennt, sondern ein Wissen wie dasjenige Cardanos. Der war wirklich ein großer Mann, trotz aller seiner Fehler; ohne die wäre er unvergleichlich gewesen."[6]

Cardanus versuchte, ein Horoskop für die Geburt des Jesus von Nazareth zu erstellen, mit dem Datum 25.12.00, 0 Uhr LMT; dies mag mit ein Grund für die Anklage vor der Inquisitionsbehörde gewesen sein.

Er gilt auch als Erfinder der Metoposkopie, einer Spezialität der Physiognomik, die sich vor allem den Stirnlinien widmet, und diese den Planeten zuordnet. Das Werk erschien allerdings erst posthum 1658 als Metoposcopia libri tredecim[7]. Sein Ansatz wurde unter anderem von Johannes Praetorius in dessen Metoposcopia[8] bereits drei Jahre später aufgenommen.

In mehrfacher Auflage erschien sein Kommentar zu den Tetrabiblos des Claudius Ptolemäus. Er war bedeutendster Vertreter einer reformistischen Strömung der Astrologie, die sich in ganz Europa verbreitete. Man wollte damals die antike Astrologie, als deren wichtigsten Exponenten man Ptolemäus sah, vom arabischen „Aberglauben“ und von den Verlockungen der Magie befreien. Auch in der arabischen Welt entwickelte technische Neuerungen lehnten diese „Ptolemäer“ ab.

Cardanos De Vita Propria
Cardanus

Ehrenkodex für Astrologen

Kocku von Stuckrad[9] zitiert einen Ehrenkodex für Astrologen, wie ihn Cardanus formulierte[10]:

  • Der ideale Astrologe beginnt erst mit der Deutung, wenn er alle Techniken beherrscht und an sich selber ausgiebig getestet hat
  • Er muss sich von Gefühlen frei machen, die seine Aussage beeinflussen; er soll sich nicht mit trivialen Fragen abgeben und keine öffentlichen Prognosen erstellen
  • Er soll keine Voraussagen für jemanden machen, der ihn nur auf die Probe stellt, seine Geburtszeit nicht genau weiß oder zu wenig Honorar bezahlt
  • Er soll erst dann eine Aussage machen, wenn er alle Techniken kontrolliert und die besonderen Lebensverhältnisse des Klienten (Stand, Alter, Bildung, familiäre Situation) ausführlich mit einbezogen hat
  • Er soll nie einem Unbekannten, einem Bösewicht oder einem tyrannischen Fürsten das Horoskop deuten
  • Er soll seine Prognose nur dem Klienten vortragen, und zwar kurz und bündig, ohne lange und unklare Ausschweifungen
  • Er soll einem Herrscher nicht verschweigen, wenn schlimmes Unglück droht, doch niemals sollte er sagen, dass dies mit Bestimmtheit eintreten wird
  • Er soll bei jeder Vorhersage hinzufügen, diese treffe nur unter der Voraussetzung ein, dass der Klient sich nicht mutwillig Gefahren aussetzt, die unterschiedslos jeden bedrohen
Modernes Kardangelenk in Rotation

Siehe auch

Weblinks

Werke (Auswahl)

  • Libelli duo: De Supplemento Almanach. De Restitutione temporum & motuum coelestium. Geniturae LXVII insignes casibus & fortuna, com expositione. Nuremberg, Joannes Petreius 1543 Digitalisat der HAB Wolfenbüttel
  • In Cl. Ptolemaei De Astrorum judiciis, aut (ut Vulgo appellant) Quadripartitae Constructionis Commentaria. Basel, Heinrich Petri Digitalisat der HAB Wolfenbüttel 1578
  • De Vita Propria liber (Paris 1643)
  • Opera omnia. Lyon, Jean Antoine Huguetan & Marc Antoine Ravaud, 1663 Digitalisat des Cardano-Projekts der Universität Mailand; Band 5 (Astronomie und Astrologie)
    Gesammelte Werke des Cardanus. Das fünfte Buch mit dem Titel "Astronomica. Astrologica Onirocritica" beschäftigt sich eingehend mit astrologischen Fragestellungen.
    Im "Liber de exemplis centum genituarum" findet sich eine umfangreiche Horoskopesammlung, unter anderem mit Horoskopen von Dürer, Regiomontanus und Petrarcha
  • Metoposcopia libri tredecim et octingentis faciei humanae eiconibus complexa – Cui accessit Melampodis De naevis corporis tractatus... 225 Seiten. Thomas Jolly, Paris 1658
  • De Immortalitate (über Alchemie)
  • De Musica, ca. 1546 (über Musiktheorie), posthum publiziert in Hieronymi Cardani Mediolensis opera omnia, Sponius, Lyon, 1663
  • Synesiorum somniorum omnis generis insomnia explicantes (Buch der Träum)
  • Liber de ludo aleae, ("Buch des Würfelspiels"), posthum publiziert 1663 (über Wahrscheinlichkeitstheorie)[11]
Des Cardanus Autobiografie

Deutsch

  • Höchst förtröffl. chiromantisch- und physiognomisches Kleeblatt. Nürnberg 1695
    Enthält u. a. eine Übersetzung der Metoposcopia
Graftons Buch

Literatur

  • Grafton, Anthony: Cardanos Kosmos. 320 Seiten. Berlin Verlag 1999 ISBN 9783827001689
Grafton beschreibt nicht nur die wichtige Rolle, die die Astrologie im Denken der Renaissance spielte, sondern erzählt unmittelbar am Leben und an den Entdeckungen Cardanos, wie gerade die spekulative, prophetische Astrologie zur Wegbereiterin einer modernen empirischen Wissenschaft wurde.
Grafton interpretiert die Astrologie jener Zeit als "intuitive Wissenschaft". Als Interpretationskunst genoss sie hohes Ansehen, "weil sie", so Grafton, "als korrekte, klassische Wissenschaft galt. Sie wurde in jeder medizinischen Fakultät Europas unterrichtet."
Als substantielle Neuerung betrachtet Grafton Cardanos Verständnis der Astrologie als Instrument einer radikalen Selbstanalyse. In seiner Lebensbeschreibung "De vita propria" porträtiert Cardano sich selbst, als wäre er ein Fremder. Unbefangen lobt er seine Vorzüge, schonungslos und minutiös zeichnet er seine Mängel, Krankheiten und Irrtümer auf (auch seine Spielsucht). Für Grafton spielt bei dieser Art von Introspektion die Astrologie die Rolle eines seelischen Spiegels.
Cardano verwandelte das Horoskop in ein Instrument der Diagnose, eine Methode, die ihm als Mediziner geläufig war.
Für heutige Astrologen ist das Horoskop ja ein Psychogramm, in dem ein psychisches Potential aufgefächert wird. Dem Klienten soll gezeigt werden, wo seine Stärken und Schwächen liegen und wie er am besten damit umgeht. Viele heutige Astrologen sind zugleich Psychologen und Therapeuten.
  • Schütze, Ingo: Die Naturphilosophie in Girolamo Cardanos. De subtilitate. 198 Seiten. Fink Wilhelm GmbH + Co. KG 2002 ISBN 9783770534746
  • Kessler, Eckhard: Girolamo Cardano - Philosoph, Naturforscher, Arzt. 376 Seiten. Harrassowitz 1994 ISBN 9783447035996
  • Hefele, Hermann (Übers.): Des Girolamo Cardano von Mailand eigene Lebensbeschreibung. Eugen Diederichs, Jena 1914; München 1969 (mit einer ausführlichen Einleitung); 288 Seiten, bzw. Chiron Verlag, Tübingen 2015 ISBN 9783899972184 Kindle Version (Ausschnitte als E-Book)
  • Wolf-Dieter Müller-Jahncke: Zum Magie-Begriff in der Renaissance-Medizin und -Pharmazie. In: Rudolf Schmitz, Gundolf Keil (Hrg.): Humanismus und Medizin. Acta humaniora, Weinheim 1984 (= Deutsche Forschungsgemeinschaft: Mitteilungen der Kommission für Humanismusforschung. Band 11), ISBN 3-527-17011-1, S. 99–116, hier: S. 106
Hieronymus Cardanus[12]

Quellen und Anmerkungen

  1. Diese Namensschreibung wird in der AstroDatabank verwendet. Rodden Rating B
  2. Dies ergibt 18:29 Uhr LMT
  3. Kocku von Stuckrad, 2005. The Function of Horoscopes in Biographical Narrative: Cardano and After. In: Günther Oestmann, H. Darrel Rutkin and Kocku von Stuckrad (eds.): Horoscopes and Public Spheres: Essays on the History of Astrology (Religion and Society 42). Berlin & New York: Walter de Gruyter, pp. 225-240
  4. Nach unserem Empfinden ist sie an manchen Stellen jedoch etwas unübersichtlich bzw. sprunghaft.
  5. Auf Seite 568 des fünften Buchs seiner Opera omnia, im "Liber de exemplis centum genituarum". Die Zeitangabe 6h40 ist auf Mittagsstände bezogen, ergibt also 18:40 Uhr
  6. Leibniz: Essais de théodicée, 1710
  7. Bereits im Jahr 1615 erschien von Samuel Fuchs die Metoposcopia & ophtalmoscopia (Th. Gleser für Paul Ledertz, Straßurg 1615), damit allerdings erst nach dem Tode von Cardanus. Inwieweit Cardano auf die Schriften von Fuchs zurückgriff, ist nicht bekannt
  8. Johannes Praetorius: Metoposcopia seu prosopomantia. Oehler, Leipzig 1661 Digitalisat der HAB Wolfenbüttel
  9. Kocku von Stuckrad: Geschichte der Astrologie, München 2003, S. 230f., zit. aus "In Cl. Ptolemaei De Astrorum judiciis..."
  10. In seinem Lehrbuch Libelli duo, das 1543 erschien
  11. Enthielt die Grundlagen der mathematischen Wahrscheinlichkeitsrechnung, etwa hundert Jahre vor Pascal und Fermat. Es beschäftigte sich mit Binomialkoeffizienten und gab z.B. Summenformeln hierzu an. Cardano hatte diese Gesetze schon früher gefunden, aber zunächst nur selbst benutzt. Mit dem Wissen verdiente er beim Glücksspiel das Geld, das er in Zeiten seiner Arbeitslosigkeit benötigte, als ihm etwa die Universität in Pavia sein Gehalt nicht zahlen konnte.
  12. Selbstporträt

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