Johannes Stöffler
Johannes Stöffler,
geboren am 10.12.1452 jul. um 6 Uhr, vermutlich in Blaubeuren[2]
gestorben am 16.2.1531 um 1 Uhr früh[3] auch in Blaubeuren,
war ein deutscher Mathematiker, Astronom, Astrologe, Pfarrer und Hersteller astronomischer Instrumente; er hatte eine Professur an der Universität Tübingen inne.
Ihm zu Ehren wurde der Mondkrater "Stöfler" benannt (geschrieben mit nur einem "f").
Leben
Johannes Stöffler wurde in Blaubeuren oder Justingen auf der Schwäbischen Alb geboren - vermutlich als Nachkomme (Enkel) aus einer nicht standesgemäßen Verbindung eines Herrn von Stöffeln. Diese Annahme ergibt sich aus der äußerst wohlwollenden Behandlung durch die Herren von Justingen (Freiherren von Stöffeln), ferner aus der Tatsache, dass er das gleiche Wappen führte wie diese, und schließlich aus dem offensichtlich abgeleiteten Namen. Er besuchte die Schule des Benediktinerklosters Blaubeuren. Unmittelbar nach Gründung der Universität Ingolstadt schrieb er sich am 21.4.1472 dort ein, studierte die Artes liberales ("Freien Künste"), wurde im September 1473 Baccalaureus und erhielt im Januar 1476 die Magisterwürde. Nach Beendigung seiner Studien wurde er Inhaber der Pfarrei im zur Herrschaft Justingen gehörenden Gundershofen. Bereits 1473 war er Kaplan der Pfarrei Justingen geworden, was wohl eine Art Studien-Stipendium darstellte. 1481 übernahm er diese gut dotierte und mit einem Hilfspfarrer ausgestattete Pfarrerstelle.
Neben seinen geistlichen Pflichten beschäftigte er sich mit der Astronomie und Astrologie, sowie der Herstellung astronomischer Instrumente, Globen und Uhren, wozu er sich im Pfarrhaus extra eine Werkstatt einrichtete. Mit seinen Erzeugnissen erwarb er sich schnell einen Ruf. So erhielt er einen Auftrag des Konstanzer Weihbischofs für einen Himmelsglobus, den er 1493 anfertigte - sein erstes bedeutendes Werk. Er stellt nach dem Globus des Nicolaus von Kues (Mitte des 14. Jahrhunderts) und dem 1480 von Hans Dorn für Martin Bylica von Olkusz gebauten Himmelsglobus das drittälteste erhaltene Instrument dieser Art dar.
Europaweit bekannt wurde Stöffler, teilweise unter der von seinem Wirkungsort abgeleiteten Bezeichnung "Meister Hans Justinger", durch den von ihm gemeinsam mit dem Ulmer Pfarrer Jakob Pflaum verfassten und 1499 veröffentlichten Almanach - eine Fortsetzung der Ephemeriden des Regiomontanus, von hoher Genauigkeit. Er enthielt auch astrologische Vorhersagen, u.a. über das nahende Ende des Papsttums. Angesichts des seit langer Zeit anhaltenden Unmuts über den Zustand der Kirche finden sich solcherlei Prophezeiungen jedoch in ganz Europa.
Er führte eine umfangreiche Korrespondenz mit bedeutenden Humanisten seiner Zeit, so etwa mit Johannes Reuchlin, für den er ein Äquatorium verfertigte und Horoskope erstellte. Auf Veranlassung des Herzogs Ulrich von Württemberg wurde ihm 1507 der neugeschaffene Lehrstuhl für Mathematik und Astronomie an der Universität Tübingen übertragen, doch nahm er die Berufung erst 1511 an. Er entfaltete dort eine rege Lehr- und Publikationstätigkeit, und wurde 1522 zum Rektor gewählt. Zu seinen bekanntesten Schülern zählen Philipp Melanchthon, Johannes Schöner und Sebastian Münster, denen er wohl auch die Astrologie nahebrachte.
Nach der Vertreibung Herzog Ulrichs im Jahre 1519 musste Stöffler jahrelang um seine Bezüge kämpfen. Eine Pestepidemie erzwang 1530 die Verlagerung des Universitätsbetriebs in andere Städte im Land. Der schon bald achtzigjährige Stöffler, der mit einem Teil seiner Fakultät nach Blaubeuren ging, verstarb dort 1531 an der Pest.[6] Beigesetzt ist er im Chor der Stiftskirche in Tübingen.
Astrologie
Die von Stöffler überlieferten Prognosen scheinen eher von Sensationslust als von seriöser Verantwortung getragen zu sein. Wie erwähnt, sagte er einmal das nahe Ende des Papsttums voraus.
In der "Allgemeinen Deutschen Biographie" findet sich ein weiteres Beispiel: "Ziemliches Unheil stiftete Stöffler durch seine astrologischen Träumereien an, indem er auf das Jahr 1524 eine neue Sintflut prophezeite, wodurch sich manche Menschen zu thörichten Handlungen verleiten ließen.[7] Obgleich statt der Sintflut eine große Trockenheit eintrat, scheint er doch nichts an Ansehen eingebüßt zu haben."[8] Allerdings ist hierzu festzustellen, dass Stöffler eine Sintflut nicht wörtlich erwähnt, sondern es der Fantasie des Lesers überlässt, dies in seine Konstellations-Beschreibung für 1524 (erschienen 1499) hineinzudenken:
- "In diesem Jahre wird weder eine Sonnen- noch eine Mondfinsternis sichtbar sein. Aber im laufenden Jahre werden äußerst bewundernswerte Bewegungen der Wandelsterne staffinden. Im Monat Feburar nämlich werden 20 Konjunktionen eintreten, von denen die einen mittelmäßiger Art, die anderen bedeutungvoll sein werden. 16 davon werden in wässerigen Zeichen stehen. Diese Naturereignisse werden für annähernd den ganzen Erdkreis, für sämtliche Zonen, Reiche, Provinzen, Staaten, sowohl für Würdenträger, als auch für das niedere, ungebildete Volk, für die Tiere, die Fische und für alle lebewesen der Erde eine Veränderung, eine Umwälzung bedeuten, wie uns dieselbe während Jahrtausenden weder durch Geschichtsschreiber, noch durch die Vorfahren überliefert worden sind. Deshalb, christliche Männer, erhebet euer Haupt"[9]
Obwohl 1524 keine Sintflut, sondern eher trockenes Wetter herrschte, wurde Stöffler kaum kritisiert für seine Prophezeihung, sondern es wurde der göttlichen Gnade zugeschrieben und der menschlichen Reue, dass die Erde von einer solchen Flut verschont blieb.[9]
Zu seinen bekanntesten Schülern zählte Philipp Melanchthon.
Die durch Stöfflers Hinweis ausgelöste Diskussion gilt in Anbetracht der vielen dazu publizierten Schriften als die intensivste der ganzen Astrologiegeschichte: an ihr beteiligte sich u.a. Johannes Virdung. Der Wiener Astronom Georg Tannstetter trat extremen Befürchtungen entgegen – und polemisierte dabei, ohne Stöffler beim Namen zu nennen, gegen den „autor ephemeridum“. Stöffler reagierte seinerseits darauf mit einer eigenen Rechtfertigungsschrift, nannte Tannstetter bereits im Titel (Expurgatio, 1523) und verteidigte sich damit, dass er ohnehin nichts Konkretes vorhergesagt habe.[10]
Werke (Auswahl)
Objekte
- 1493: Ein Himmelsglobus für den Bischof von Konstanz[11]
- 1510: Eine astronomische Uhr für das Tübinger Rathaus zur Anzeige möglicher Mond- und Sonnenfinsternisse[12]
Bücher
- Ab 1499: Ein zusammen mit dem Ulmer Astronom Jakob Pflaum verfasster Almanach (Almanach nova plurimis annis venturis inserventia), der bis 1551 13 Auflagen erfuhr und mit seiner weiten Verbreitung einen großen Einfluss auf die Astronomie der Zeit ausübte Digitalisat der BSB München
- Almanach Teutsch mit den Aspecten ... Auff das jar 1510, Memmingen 1509 Digitalisat der BSB München
- Tabulae Astronomicae 1514 Digitalisat der BSB München
- Ephemerides anno virginei partus, Venedig 1529 Digitalisat der BSB München
- Ephemeridum opus, Tübingen, Huldenrich Morhart 1531 Digitalisat der BSB München
- Elucidatio fabricae ususque astrolabii, Schrift über die Konstruktion und den Gebrauch des Astrolabiums, wovon bis 1620 16 Ausgaben erschienen, Jacob Kögel Oppenheim 1513 Digitalisat der BSB München; Digitalisat der SLUB Dresden
- Germani Tabulae astronomicae Astronomische Tafeln, Thomas Anshelmus, Tübingen 1514 Digitalisat der BSB München
- Calendarium romanum magnum, 1518: Vorschlag zur Kalenderreform, der eine Grundlage für die Gregorianische Reform bildete
- In Procli Diadochi Sphaeram mundi Tübingen, Ulrich Morhard 1534
- Cosmographicae aliquot descriptiones, Hrg. postum von Johann Dryander (1500-1560), Marburg, Eucharius Cervicornus 1537 Digitalisat der BSB München
Literatur
- Erich von Beckerath und Wilhelm Knappich: Stöfflers Weltuntergangsprognose. Kosmobiologie, 35. Jhg. 1968, Heft 5-6
- J.C. Albert Moll: Johannes Stöffler von Justingen: Ein Characterbild aus dem ersten Halbjahrhundert der Universität Tübingen Lindau: Commissionsverlag von Joh. Thom. Stettner, 1877 (Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensee's und seiner Umgebung, Heft 8)
- Günther Oestmann: Johannes Stoeffler, Melanchthons Lehrer in Tübingen, in: Rhein, Stefan, Armin Schlechter und Udo Wennemuth (Hrg.), Philipp Melanchthon in Südwestdeutschland: Bildungsstationen eines Reformators, Karlsruhe 1997, 75–85PDF
Quellen und Anmerkungen
- ↑ Entstanden posthum 1614 für die Tübinger Professorengalerie, d.h. über 70 Jahre nach seinem Tod
- ↑ Quelle: AstroDatabank/Stoeffler, Johannes. Die Uhrzeit wird auf einem Bild Stöfflers in der Aula Tübingen mit "hora 6 mat." angegeben. Ernest Hentges: Geschichtliche Notizen - Johannes Stöffer, in: Astrologische Rundschau, 1923-1926; Rodden Rating C
- ↑ Ernest Hentges: Geschichtliche Notizen - Johannes Stöffler. Astrologische Rundschau, in Fortsetzungen 1923-1926: Sein Bild in der Aula von Tübingen trägt den Vermerk: "Obiit Blaburae 1531, 16. Fbr., hora 1 mat. Vixit annos 78, dies 69, horas 19"
- ↑ Bild von Jean-Jacques Boissard (1528–1602), Bibliotheca Frankfurt 1630
- ↑ Landesmuseum Württemberg
- ↑ Nach einer anderen Version, die Ernest Hentges von Sethus Calvisius berichtet, wurde Stöffler an einem von ihm vorausberechneten Gefahren-Tag von einem umstürzenden Bücherregal am Kopf tödlich verletzt
- ↑ In Berlin flüchtete deswegen etwa der Kurfürst samt Gefolge extra auf den nahegelegenen Kreuzberg; außerdem gab es Auswirkungen auf die Bauernkriege und die lutherische Reformation
- ↑ Allgemeine Deutsche Biographie von Johannes Stöffler, Zitat von Wikisource/ADB:Stöffler, Johannes
- ↑ 9,0 9,1 Zitiert und übersetzt durch Ernest Hentges: "Geschichtliche Notizen von Johannes Stöffler"
- ↑ Über die damalige Diskussion und insbesondere Tannstetters Stellungnahme siehe Graf-Stuhlhofer: Humanismus zwischen Hof und Universität. 1996, S. 135–140
- ↑ Dieser Himmelsglobus ist als einziges bis heute erhaltenes und bedeutendstes Produkt seiner Werkstatt im Württembergischen Landesmuseum in Stuttgart ausgestellt
- ↑ Sie ist seit 1993 voll funktionsfähig renoviert
- ↑ Autorenportrait Stöfflers aus seinem 1534 erschienenen Kommentar zur Sphaera des Pseudo-Proklos
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