Johannes Virdung

Aus Astrodienst Astrowiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Virdungs Jahresprognose für 1493
Virdungs Radix

Der deutsche Renaissance-Astrologe Johannes Virdung (manchmal auch nach seinem Geburtsort Johannes Hassfurt genannt) wurde am 15.3.1463 um etwa 8:50 Uhr LMT in Hassfurt/ (Unter-)Franken geboren (originale Zeitangabe der LAT 8:32 Uhr; Diskussion der Geburtszeit siehe unten).
Das Todesjahr ist unbekannt, es wird 1535 angegeben, aber auch "um 1550".[1]

Biographie

Man nimmt an, dass Virdung[2] bei dem Astronomen Albertus de Brudzewo in die Schule ging. Studienbeginn war wohl 1481 in Leipzig. Weiterstudiert hat er nach Steinmetz (S. 197) 1484-87 in Krakau.[3] Nach dem dortigen Baccalaureus (1487) vollendete er sein Studium in Leipzig um 1491 mit dem artium magister Lypsensis.

Er war ein gefeierter Astrologe des 16. Jahrhunderts und hatte eine amtliche Position inne am so genannten "Musenhof" von Philipp, Kurfürst der Pfalz, Heidelberg. Er schrieb diverse Werke, oft populärer Natur; hierunter fällt auch eine Erläuterung zur Apokalypse, die Practica von dem Entchrist. Er machte wissenschaftliche Reisen durch Deutschland, Frankreich und Italien, und wurde auch nach Dänemark berufen, um König Christian II. die Genesis auszulegen. Er erstellte Geburtshoroskope, etwa für Philipp Melanchthon bzw. dessen Vater Georg Schwarzert[4], ebenso wie Elektionen, z.B. für Franz von Sickingen vor dessen Zug gegen Trier.

Er stand mit dem Abt Johannes Trithemius in Verbindung. Ihr Briefwechsel ist die hauptsächliche Überlieferungs-Quelle für den legendären Doktor Faustus (Georg Zabel), einem damaligen mutmaßlichen Hochstapler.

Flugblatt zur 1524 befürchteten Sintflut

Astrologie

Das Tabellarium Tabulae resolutae zählt zu seinen bedeutendsten Werken. Ein solches war erforderlich, um unter den Voraussetzungen des geozentrischen Weltbilds, welches die Umläufe der Planeten um die Sonne nicht kannte, aus gemittelten Kreisbahnen und so genannten Epizykeln die wahren Planetenpositionen annähernd errechnen zu können. Virdung bezieht sich darin auf die Alfonsinischen Tafeln, auf Regiomontanus, sowie auf Georg von Peuerbach.

Als sein Hauptwerk gilt die iatromathematische "Nova medicinae" von 1533.[5]

Die Große Konjunktion von 1524

Virdung war in eine damals heftig geführte Auseinandersetzung bezüglich der zu erwartenden Auswirkungen der Großen Konjunktion von 1524 in den Fischen einbezogen. Johannes Stöffler und andere schlossen aus dieser Konstellation auf große, sintflutartige Überschwemmungen, was bis heute zu den größten Fehlprognosen in der Geschichte der Astrologie zählt.

Er sprach sich dabei gegen das Überschwemmungsszenario aus (siehe Practica von 1522), jedoch brachte er hier eben den "Entchrist" (Antichrist) der Apokalypse ins Spiel, und prognostizierte Aufstände und eine Schwächung des christlichen Glaubens (Steinmetz, S. 205). Diese Schrift wurde in besonderem Maße dazu genutzt, die Angst vor der Reformationsbewegung um Martin Luther anzuheizen. So wundert es nicht, dass sie in den folgenden Jahren bis zu fünfzehn weitere Auflagen erlebte. Die Bauernkriege von 1525 fasste man durchaus als Bestätigung der Prognose Virdungs auf, denn er hatte formuliert: "Vnd die geringen menschen, schnödes geschlechts werden sich erhöhen wider die Kunig vnd grossmechtige, sie vndtersteen zu vertreiben aus irem gewalt und jemmerlich vervolgen"[6]

Geburtsdaten

Geburtshoroskop von Virdung nach Garcaeus[7]
Gleiche Angaben in der Schrift clm27003[8]

Außer den abgebildeten Horoskopen existiert keine bekannte Quellen für sein Geburtsdatum, es wird nur allgemein überwiegend das Jahr 1463 angegeben, manchmal allerdings auch 1465. Die Zeitangabe 30:32 Uhr im nebenstehenden Horoskop, das durch Johannes Garcaeus überliefert wurde, ist ein Druckfehler. Es muss korrekt, wie in der clm 27003, 20:32 Uhr lauten. Da sich das Horoskop auf Mittagsstände des 14.3.1463 bezieht, lautet das korrekte Geburtsdatum 15.3.1463 um 8:32 Uhr morgens, was ganz gut passt.

Das Datum '15. März', lässt sich durch die angegebenen Stände von Sonne, Mondknoten, Mars und Saturn verifizieren. Bei Jupiter könnte sich der Berechner um ein Zeichen vertan haben. Venus und Merkur passen jedoch überhaupt nicht, und die Mondstellung nur ungefähr. Diese Fehler dürften dem recht komplizierten Umgang mit den damaligen astronomischen Tafeln geschuldet sein. Bei der Berechnung war eine Verquickung des mittleren Bahnlaufs mit den Läufen der Epizykeln erforderlich, wobei leicht Fehler unterlaufen konnten.

Die Zeitangaben wurden üblicherweise durch Rektifikation anhand der Primärdirektion gewonnen; insofern sind, um auf die Zeitangabe der LMT zu kommen, die Stände von Aszendent und Medium coeli ausschlaggebend. Hieraus ergibt sich eine Geburtszeit zwischen 8:45 Uhr und 8:50 Uhr LMT.

Practica cracoviensis (1495)

Werke

  • Practica baccalaurij Johannis Cracoviensis de Hasfurth, pronosticon pro a.Xristi 1491 currente 1491
  • Judicium Baccalarij Johannis Cracouiensis de Hasfurt. Prognosticon auf das Jahr 1492. Konrad Kachelofen, Leipzig 1492
  • Judicium Liptzense - Cracoviensis mgri Johannis Vierdung de hassfurt. Nürnberg 1492 (für 1493) Digitalisat der BSB München
  • Practica dusch magistri Joha[n]nis virdung va[n] Hasfurt. (für 1494) Brandis, Magedburg 1493
  • Practica cracoviensis sup anno 1495, mit Widmungsbrief an Kurfürst Philipp von der Pfalz. Leipzig, Conrad Kacheloffen, 1494 Digitalisat der BSB München
  • Prognosticon pro Anno domini 1497. Leipzig, 1496 Digitalisat der BSB München
  • Deutsch Practica auff 1497 iare. Nürnberg 1496 Digitalisat der BSB München
  • Practica Magistri Johannis Virdungi de hassfurth. pro illustrissimo principe Philippo Comito Palatino Rheni. ad annum dei xcviii. Adam Werner von Themar, Leipzig 1497 Digitalisat der BSB München
  • Ußlegung und erclerung (bzw. Auszlegung unnd erklerung) der wunderbarlichen kunftigen erschrocklichen Ding die uns der Stern mit dem schwantz den mann Comet nent, in unsern landen gesehen im jar 1506. Nürnberg 1506 Digitalisat der BSB München; ohne Ort 1506 Digitalisat der BSB München
  • Practica 1511. Ohne Ort 1511, kurzes Fragment. Digitalisat der BSB München
  • Pratcica [!] auf das M d vnd xi iar. 5 Bl. 1511
  • Practica deutsch auff das 1512 jare.
  • Prognosticon super Solis Eclipsim Anno 1513. Heidelberg 1513 Digitalisat der BSB München
  • Uber die wunderbarlichen Zaichen die do gesehen worden seind bey dem Mon auff dem Schloß hohen Drach im Wirttenberger Landt im 1514 Jare. Speyer, Jacob Schmyeden 1514 Digitalisat der BSB München; ohne Ort 1514 Digitalisat der BSB München
  • Außlegung und Beteutung der wunderbarlichen zeichen / wie die zu viel malen in den Lüfften und uff dem Ertrich erscheinen und gesehen werden / und sünderlich deren / die in dem Jare nach Christus gepurt 1520. 20 Bl.
  • Prognosticon super novis stupendis et prius non visis planetarum coniunctionibus. Johann Weißenburger, Landshut 1521 Digitalisat der BSB München
  • Practica Teutsch über die newe erschröckliche vor nie gesehen coniunction oder zusammenvereinigung der planeten im jar 1524 zukünftig. Oppenheim 1523
  • Practica deutzsch ... uff das 1530. jar gemacht. 8 Bl. Faber, Speyer 1529
  • Auszlegung und Bedeütnisz des Cometen der gesehen worden ist im Augstmon im 1531. Speyer 1531 Digitalisat der BSB München
Virdungs "Außlegung"
  • Auslegung des Cometen der do gesehen worden ist im Herbstmon und Weynmon, in diesem 1532 Jare. Speyer 1532 Digitalisat der BSB München
  • Practica deutsch uff das M D u. XXXIV Jar gemacht zu Eeren dem ... Herrn Ludwig Pfalzgraven bey Rÿn. Speyer, 1533
  • Nova medicinae methodus. Ettlingen, 1532; Haguenau, Valentinus Kobian 1533 Digitalisat der BSB München
  • Practica deütsch : uff das M.CCCCC.XXXVII. Jare gemacht. Speyer, [1536]
  • Tabulae resolutae de supputandis siderum motibus. Nürnberg, Johannes Petreius 1542 Digitalisat der BSB München; 2. Exemplar
  • Practica, Vom XLIII. Jar an biß man zelt LXIIII : Darinn erschröckliche, vnd zuuor nie gehörten propheceien vber die gantz welt kürtzlich angezeigt werden ; Practiciert auß der grossen Coniunction der Planeten inn den Fischen, Anno M.D.XXIIII. Heinrich Steiner, Augsburg 1542
  • De cognoscendis et medendis morbis ex corporum coelestium positione. Venedig, Damiano Zenari 1584
  • Practica von dem Entchrist. Ca. 1510/1511
Virdungs Beitrag zur Sintflut-Diskussion

Kurze Kommentare zu vielen Ausgaben bei der Digital International Astrology Library: cura.free

Literatur

  • Max Steinmetz: Johann Virdung von Hassfurt. Sein Leben und seine astrologischen Flugschriften. In: Zambelli, Paola: Astrologi hallucinati: Stars and the End of the World in Luther's Time: Conference Papers, S. 195-214. Walter de Gruyter 1986 ISBN 9783110103175

Quellen und Anmerkungen

  1. Allgemeine Deutsche Biographie über Virdung, hieraus auch biographische Informationen
  2. Biographische Informationen von der englischen Wikipedia
  3. Eingeschränktes Digitalisat bei Google Books
  4. Steinmetz, S. 197 und Müller-Jahncke, Wolf-Dieter: Philipp Melanchthon und die Astrologie, Theoretisches und Mantisches., in: Melanchton-Schriften der Stadt Bretten 4, Sigmaringen 1998, Seite 9
  5. Herbert Jaumann: Handbuch der Gelehrtenkultur der frühen Neuzeit, Berlin, 2004, S. 687 Online bei Google Books
  6. Zitat aus der Practica von 1522
  7. Quelle: fondosdigitales.us.es
  8. BSB München digitale-sammlungen.de

Dieser Text verwendet Absätze, Sätze oder Formulierungen aus dem Wikipedia-Artikel Johannes_Virdung. Der Text steht unter der Lizenz „Creative Commons Attribution/Share Alike“. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.