Mantik

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Verschiedene Mantiken bei Robert Fludd[1]

Mantik, abgeleitet vom griechischen mantis (Seher), bezeichnet die verschiedenen Formen der Weissagung.
Sie entstanden aus dem Bedürfnis der Menschen, einen Blick in die Zukunft zu werfen.

Weltanschaulicher Hintergrund

Den verschiedenen Formen von Wahrsagung liegt ein Weltbild zugrunde, das von einer einheitlichen Struktur des gesamten Kosmos ausgeht ("unus mundus"), der immer und überall auf den gleichen qualitativen Prinzipien beruht. Die Welt gilt als so aufgebaut, dass ihre Teile analog strukturiert sind bzw. miteinander korrespondieren, sich "spiegeln". Nach dem Synchronizitätsprinzip von C.G. Jung wird angenommen, dass zwischen räumlich und zeitlich getrennten Bereichen verborgene, aber erkennbare gesetzmäßige Zusammenhänge bestehen. Phänomene unterschiedlicher Art, zwischen denen kein kausaler Zusammenhang aufgezeigt werden kann, werden dabei auf ein einheitliches Organisationsprinzip der Weltordnung zurückgeführt und miteinander verknüpft. So wird ein strenger Parallelismus zwischen Kosmischem bzw. Himmlischem und Irdischem oder Menschlichem unterstellt. Im Rahmen dieses Weltbilds des Mikrokosmos/Makrokosmos (des "Oben-Unten - Zusammenhangs") geht man davon aus, dass zwischen allem äußerlich Wahrnehmbarem und dem (noch) Verborgenen detaillierte Analogiebeziehungen bestehen. Die Erkenntnis des Wesens dieser Beziehungen soll es ermöglichen, das Verborgene ("Okkulte"), insbesondere auch Künftiges zu erfassen.

Doch führen die weltanschaulichen Voraussetzungen, von denen jede Wahrsagung ausgeht, zu philosophischen Problemen, die vor allem mit der Frage nach Determiniertheit (Vorherbestimmtsein) und Willensfreiheit zusammenhängen. Ein für Aussagen über die Zukunft erhobener Wahrheitsanspruch bedeutet etwa, dass schon in der Gegenwart feststeht, dass eine bestimmte Sache später zwangsläufig eintreten wird.

Nach dem Sozial- und Religionshistoriker Georges Minois gibt es traditionell 25 verschiedene Vorhersagemethoden - von der Kristallkugel zum Kaffeesatz, von der Geomantie zur Numerologie, von der Chiromantie bis zur Kartomantie“.[2]

Geschichte

In den Hochkulturen des Alten Orients wurde offizielle Wahrsagung meist im Auftrag der Herrschenden praktiziert. Das wichtigste Verfahren war die schon um die Mitte des dritten Jahrtausends v.Chr. bezeugte Eingeweideschau. Dabei wurde aus der Beschaffenheit der Leber eines geschlachteten Opfertiers auf den Willen der Götter und den zu erwartenden Ausgang eines Vorhabens geschlossen.

Im antiken Griechenland waren besonders die Vogelschau (Ornithomantie, Deutung des Vogelflugs), die Leberschau, die Traumdeutung und das Orakelwesen verbreitet. An berühmten Orakelstätten wie Delphi wurden von professionellen Sehern bzw. Seherinnen Orakelsprüche als Antworten auf den Göttern gestellte Fragen verkündet.

Etruskische Bronzeleber (Abguss)[3]

Auch im Römischen Reich war das Lesen aus "himmlischen Zeichen" wie dem Vogelflug oder den Eingeweiden ritualisiert und sogar Teil des Staatskultes.

Die christliche Kirche betrachtete nur die biblische (historische) Prophetie als authentische, göttlich legitimierte Übermittlung von Wissen über die Zukunft. Der Anspruch der Wahrsager, Künftiges voraussagen zu können, stieß bei den antiken Kirchenvätern auf radikale Ablehnung. Sie sahen darin eine Anmaßung, einen menschlichen Übergriff in eine allein Gott vorbehaltene Sphäre.[4]

Im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit war die Wahrsagung ebenfalls weit verbreitet. Von kirchlichen Behörden und manchen theologischen Autoritäten wurde sie weiterhin bekämpft und zurückgedrängt, doch fand sie unter den mittelalterlichen Philosophen und Theologen auch Verteidiger. Im späteren Mittelalter gewannen Wahrsager nicht nur an Fürstenhöfen, sondern auch im kirchlichen Raum beträchtlichen Einfluss. Manche Herrscher, darunter Kaiser Friedrich II., beschäftigten Hofastrologen. Ab dem 14. Jahrhundert waren Astrologen sogar an der päpstlichen Kurie tätig, in der Renaissance ließen sich die Päpste und Kardinäle meist astrologisch beraten.[5]

Bedeutung für die Astrologie

Unter den zahlreichen mantischen Systemen nimmt die Prognostische Astrologie eine wichtige Rolle ein. Auch die Stundenastrologie ist eindeutig mantischer Natur; die Elektion (das Wählen eines geeigneten Termins) fällt fast schon unter "Magie".

Die Chiromantie (Handlesekunst) arbeitet mit zahlreichen astrologischen Symbolen ("Mars-Berg", usw.) - allerdings ohne sich direkt auf ein Geburtshoroskop zu beziehen.

Es gibt historische Darstellungungen[6], die die Anfänge der Astrologie und ihrer Deutungsweise auf das "mesopotamische Leberhoroskop" und dessen Interpretationsschemata zurückführen.

Richard Vetter versteht die Astrologie in erster Linie als mantisch (zeichendeutend).[7] Die britischen Astrologen Geoffrey Cornelius und Maggie Hyde gehen noch einen Schritt weiter, und sehen sie grundsätzlich als Divination (wörtlich "Befragung der Götter").[8]

Entsprechungen in der Hand bei Ernst Issberner-Haldane

Siehe auch

Weblinks

Literatur

  • Georges Minois: Geschichte der Prophezeiungen. Orakel, Utopien, Prognosen. 830 S., Düsseldorf 1998 ISBN 3-538-07072-5
  • Eva-Christiane Wetterer: Der heiße Draht zur Zukunft. 206 S., München 2006 ISBN 3-453-67011-6
  • Annett Klingner: Heimliche Regenten. Astrologen als Drahtzieher der Macht. 240 Seiten. Heyne, 2012 ISBN-10: 3899105567, ISBN-13: 978-3899105568

Quellen und Anmerkungen

  1. Alchemistische Darstellung
  2. Minois: Geschichte, S. 712
  3. Siehe auch Wikipedia: Bronzeleber_von_Piacenza
  4. Die Katholische Kirche hält in ihrem Katechismus zum Dritten Gebot („Du sollst neben mir keine anderen Götter haben") unter anderem fest: „Sämtliche Formen der Wahrsagerei sind zu verwerfen: Indienstnahme von Satan und Dämonen, Totenbeschwörung oder andere Handlungen, von denen man zu Unrecht annimmt, sie könnten die Zukunft ‚entschleiern‘. Hinter Horoskopen, Astrologie, Handlesen, Deuten von Vorzeichen und Orakeln, Hellseherei und dem Befragen eines Mediums verbirgt sich der Wille zur Macht über die Zeit, die Geschichte und letztlich über die Menschen, sowie der Wunsch, sich die geheimen Mächte geneigt zu machen. Dies widerspricht der mit liebender Ehrfurcht erfüllten Hochachtung, die wir allein Gott schulden“ Ausgabe von 1997 online
  5. Siehe auch die sorgfältig ausgewählte Elektion der Grundsteinlegung des Petersdoms in Rom unter Papst Julius II. am 18.4. (jul.) 1506, um 10 Uhr morgens
  6. Etwa von Thomas Schäfer, in seinem Buch Vom Sternenkult zur Astrologie, Düsseldorf 1993
    Das englische Wikipedia (Babylonian astrology) sagt: "The history of Babylonian astrology shows the development of astronomical knowledge within the context of divination"
  7. Artikel "Der subjektive und projektive Charakter der Astrologie", 2005 online (Loop)
  8. Siehe The Company of Astrologers (Website von Hyde und Cornelius)