Metoposkopie

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Metoposkopie[1]

Als Metoposkopie wird die Kunst bezeichnet, aus den Linien der Stirn zu lesen, und hieraus Rückschlüsse auf Charakter und Schicksal zu ziehen. Hierbei wurden, insbesondere in der Renaissance, immer wieder Versuche unternommen, die Stirnlinien den klassischen Planeten zuzuordnen. Diese Ansätze werden nachfolgend vorgestellt.

Bekannte Vertreter waren Hieronymus Cardanus, der die Methode erfand, und Johannes Praetorius.

Konzepte

Es gibt zwei grundsätzlich unterschiedliche Ansätze in der Stirnliniendeutung, die Linien den Planeten zuzuweisen, dazwischen gibt es mehrere Mischformen. Der eine orientiert sich am Sphärenmodell, und ordnet die tiefste, an der Nasenwurzel liegende Linie dem Mond zu, dann folgen in Richtung Haaransatz Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter und Saturn (siehe Abbildung). Dies entspricht weitgehend dem Vorgehen von Cardanus. Der andere geht davon aus, dass die Tagplaneten auf der rechten Seite der Stirn abgebildet sind, die Nachtplaneten auf der linken Seite, Merkur und Venus zentral. Dieses Konzept vertritt vor allem Praetorius. Nicolai Spadon erläutert, wie beide Systeme miteinander in Übereinstimmung zu bringen sind.

Ergänzend zu den Linien werden bei allen Autoren, analog zur Chirologie, die Dicke und Farbe der Linien berücksichtigt, ob sie bestimmte Zeichen ("Signaturen") tragen, unterbrochen, und in welche Richtung sie gebogen sind. Male, wie Leberflecke oder Warzen, werden zur Deutung auch mit herangezogen.

Nicolai Spadon

Tierkreiszeichen und Planeten im Gesicht bei Cardano[2]

Spadon geht zunächst von dem Modell der übereinander angeordneten Linien in der Reihenfolge der Sphären aus.[3] (Zitat 1695):

"Der Linien sind ordentlich 7. die von der Wurtzel der Haare bis an die Augenbraunen nach der läng der Stirne stehen in der Ordnung wie die Planeten
Die 1. für den Saturnus
Die 2. für den Jupiter
Die 3. für den Mars
Die 4. für die Sonn
Die 5. für die Venus
Die 6. für den Mercurius
Die 7. für den Mond
Wann nicht alle Linien der Stirn da wären, mercke man, daß man über das rechte Aug die Sonn setze, über das lincke den Mond juxta Luminare magnus & minus in der kleinen Welt, die der Mensch ist.
Die Venus in den Einschnitt der Wurtzel von der Nasen zwischen den Augenbraunen. Den Mercurium in die 2. perpendicular-Linien zwischen der Nasen über der Venus. Im fall eine Linie an der Stirn mangelte, und man sehe ersagten Mangel aus den grossen Spatio zwischen einer Linie un d der andern, sagt man, daß ein Planet abgehe, der hier sein sollte."
Übersicht der Systeme bei Praetorius (Ausschnitt)

Hieronymus Cardanus

Die Metoposcopia ist ein Werk von Cardanus, das erst lange nach seinem Tod in Druck ging, nämlich 1658.[4] Nachfolgend ein Auszug aus der deutschen Übertragung, soweit sie astrologischen Bezug nimmt:

Es vertheilen sich aber alle diese Strich längst der Stirn überzwerg [= quer] hin, ausgenommen die einige Linie, welche geradezu durch die Glabellam oder das Räumlein zwischen den Augbraunen durchstreichet und dem Mercurio zugeordnet wird. Von den andern überzwergs hinlauffenden Linien sind einige lang, einige kurtz. Die Öberste von den langen ist denen äusserten Haubt-Haaren am nächsten und ist unter des Saturni Gebiet. Die nächst darauf folgende erkennt die Herrschaft Jovis. Die Dritte beherrscht der Mars, die Vierdte steht der Veneri zu; der Kurtzen werden zwey gezehlet so nicht untereinander sondern gleich gegeneinander liegen, welche wie wohl sehr selten in eine lange Linie verwachsen. Dieso der Sonnen zuständig bey den Rechten, des Monds aber bey den lincken Aug.
Von der Mercurialischen ist dieser anzumercken, dasselbige bey vielen doppelt, zu einem glücklichen Anzeichen der Beredsamkeit, wann sie anderst beyde grad zu lauffen, niht abgeschnitten oder auf andere weiß mangelhaft, wie man in den Raum zwischen den Augenbraunen bey schwatzhafften Weibern eun Hauffen solcher kleinen zerstreuten Linien zu sehen pflegt.
Übrigens ist wol nicht zu glauben, dass eben alle Stirn Linien haben; es ermangelt öffters ein und die andere, doch wird man selten weniger als drey finden [vgl. das Drei-Linien-Konzept nach Praetorius, s. unten]. Sollten etliche mangeln, kan man derselbigen Platz leicht vermittelst des Zirckels finden, in dem man die ganzte Breite der Stirn in sechs Theil abtheilt, welche hernach leichtlich die Ab- und Anwesenheit der Linien entdecken.

Alterszuordnung

Was die Abmessung der Linien betrifft, werden die gantze Linien in drey Theil abgeteilt.
  • Der erste Theil linker Hand gehört den ersten Alter so sich biß 30 belaufft, wobei man dann Acht auf des Monds-Theil hat, der die Kindheit bemercket.
  • Der ander Theil so mitten in der Stirn erstreckt sich biß auf das 60. Jahr, und wird den männlichen Alter zugeeignet.
  • Der dritte Theil so die rechte Seite der Stirn einnimmt, ist biß auf 90. Jahr, und also zu den höchsten Termin und Ziel des Lebens.
So nun die Linien nicht gantz und vollkommen, so theile man die Stirn in drey Theil, und lege jeglichen derselben auf besagte weiß das gehörige Alter bey, welches von zerrissenen Linien so den Planeten zugeeignet werden, zu verstehen, ausserhalb denen zweyen Linien so man Sonn und Mond zurechnet, und über den Augenbraunen stehen; deren jedwede in drey besondere Theil muß entschieden werden, und soll man von dem Raum zwischen den Augbraunen anfangen, und gegen die Schläffe zu fortschreiten. Auch die dem Mercurio zugehörige Linie muß auf diese weiß getheilet werden.
Illustration von typischen Mördern bei Cardano

Alternativ zur Metoskopie entwickelte er auch ein System der Muttermale, die je nach Platzierung im Gesicht bestimmten Tierkreiszeichen entsprechen sollten[5].

Johannes Praetorius

Praetorius[6] unterscheidet drei Hauptlinien auf der Stirn, neben eventuell vorhandenen weiteren kleineren Linien. Mehrere unterbrochene Linien sind den Hauptlinien zuzuordnen. Die Unterteilung in sieben Linien, wie sie von Cardanus vorgeschlagen wurde, erwähnt er zwar, verwirft sie jedoch, und orientiert sich stärker an dem Konzept, wie es Christoph Moldenarius beschrieb[7], der in seinem ausführlichen Quellenteil auf antike Autoren referiert, Cardanus jedoch nicht zu kennen scheint.

Die Logik der Linien orientiert sich am Thema mundi ebenso wie an der Chaldäischen Reihe: die inneren Planeten Merkur und Venus sind keiner Linie, sondern der Nase bzw. Nasenwurzel zugeordnet. Die Tagplaneten Sonne und Jupiter stehen auf der rechten Seite, die Nachtplaneten Mars und Mond auf der linken. Saturn steht mittig und regiert allein die dritte Linie.

Saturnlinie:

  • Am obersten Rand der Stirn, am Haaransatz, Linie der Vernunft
  • Je weniger unterbrochen und gestört die Linie ist, gut gezeichnet ohne zu dominieren, umso vernünftiger soll der Mensch sein. Man geht davon aus, dass Saturn dann auch im Geburtshoroskop gut gestellt ist. Die saturnale Eigenschaft wird sich auf äußerst positive Weise zeigen, er kann zu Wohlstand kommen und wird immer genügend für sich haben
  • Eine gebogene lange Linie soll auf Hinterlist hindeuten, eine kurze auf schlechten Verstand, eine stark gestörte Linie soll Unglück bringen.
  • Rechts nach unten gebogen: Hinterlist, Betrug, Geiz, Wucher etc.
  • Links nach unten gebogen: Diebstahl, Strafe, Gefangenschaft
  • Schlecht gezeichnet, mit Kreuzen und Warzen oder anderen Fehlern. Grobe, unbesonnene, unglckliche Menschen, Unglück und Gefahr durch Fall und Wasser. Üblicherweise steht dann Saturn auch in der Radix geschwächt oder geschädigt.
3 Hauptlinien: links Nacht-, rechts Tagplaneten

Jupiter-Marslinie:

  • Mittlere Stirnlinie, Verstandeslinie
  • Ist diese Linie gut und zierlich gezeichnet, stehen auch Mars und Jupiter im Radixhoroskop üblicherweise gut, sie fördert die Urteilsfähigkeit, den Verstand und die Geschicklichkeit, und das Gelingen. Ihrem Rat und ihrer Anteilnahme darf man vertrauen, sie sollen auch geschickt in Kriegsdingen, auf Reisen und bei Hofe sein
  • Wenn diese Linie stark gestört ist oder schlecht proportiniert, so zeigt es einen Naseweis, der sich zwar für klug hält, jedoch mit seinem Tun scheitert aus eigener Dummheit
  • Zerrissene Linien deuten auf Niederlagen in Rechtsangelegenheiten
  • Ist sie mittig nach oben gebogen, gilt der Mensch als hochmütig, anbiedernd und ehrheischend
  • Wenn sie sich zum Jupiterberg lenkt: große Ehre und Reichtum, lenkt sie sich jedoch zum Marsberg, bedeutet dies Großmut, Ehre und Macht
  • Ist die Linie zersplittert, gestört, deutet dies auf einen unbeständigen Menschen, der seine Meinung ständig ändert. Gefahr von Schaden, Schande und Gefängnis

Sonne-Mondlinie

  • Untere Stirnlinie, Gedächtnislinie
  • Wenn sie wohlgezeichnet und ohne Fehler ist und bis zur Schläfe geht, zeigt dies eine rasche Auffassungsgabe und ein gutes Gedächtnis an. In der Radix ist oft eine gute Aspektierung zwischen den Lichtern mit Venus und Merkur zu finden, namentlich auch mit den Mondknoten
  • Ist sie stark gestört oder schlecht gezeichnet, kann das Gedächtnis schlecht sein, auch ein liederliches Leben, Armut, Verachtung
  • Neigt sich die Linie zum Jupiterberg gutes Gedächtnis, aber sehr ehrgeizig. Neigt sie sich aber zum Marsberg, ebenfalls gutes Gedächtnis, aber jähzornig und rechthaberisch
  • Neigt sie sich zum Sonnenberg: gutes Gedächtnis, hohe Gunst, Ehre und Förderung. Bei Neigung zum Merkur-/ Venusberg Künstler, Gunst beim anderen Geschlecht. Neigt sie sich zum Mondberg, sucht der Mensch oft den Kontakt zu gewöhnlichen Menschen

Fehlende, überzählige und gestörte Linien Fehlt eine bestimmte Linie, so ist diese Eigenschaft nach Praetorius beim Betreffenden schlecht ausgebildet:

  • Fehlende Verstandeslinie: können ihre Fähigkeiten nicht nützen bzw. umsetzen, „zwei linke Hände“
  • Fehlende Vernunftlinie: ungerecht und eigennützig, scheinheilig, Politiker, Simulanten
  • Fehlende Gedächtnislinie: die Menschen können sich recht und schlecht durchs Leben bringen

Sind alle drei Linien stark gestört, besteht starke Gefahr für Leib und Leben durch Unzucht, Diebstahl, Untreue und Ähnlichem.

Mehr als drei deutliche Linien zeigt nach Praetorius einen Menschen voller Ideen an, der sie aber nur schwer umsetzen kann, unbeständig, oft sorgenvoll, wenig praktisch veranlagt, aber sehr gedankenvoll. Luftikus; eventuell uranisch oder neptunisch?

Vollkommen fehlende Stirnlinien sollen dagegen auf Geistesstörungen hinweisen, Gewalt- oder sonstige Übeltäter, blut- und raffgierige Menschen, Mordlust, Epikureer (lustbetonte Menschen). Gute Soldaten, unfallgefährdet, sterben oft jung und eines gewaltsamen Todes.

Ähnliches wie für die Linien gilt auch für die Planetenberge: sind sie wohlgestaltet und nicht gestört, deutet dies auf positive Auswirkungen des entsprechenden planetarischen Prinzips. Störungen, Fehlen oder schwache Ausbildung bringt die negativen Prinzipien zur Auswirkung bzw. zeigen eine Schwächung des dem Berg entsprechenden Prinzips an.

Isaac Luria

Der Kabbalist aus dem 16. Jahrhundert praktizierte auch eine Variante der Metoposkopie. Ihm zufolge waren in den Stirnlinien hebräische Buchstaben zu unterscheiden und deren Interpretation half ihm, die Probleme des Einzelnen zu entdecken und Diagnosen zu stellen.

Siehe auch

Muttermale als Indikatoren von Tierkreiszeichen[9]

Weblinks

Quellen und Anmerkungen

  1. Ihr am weitesten verbreitete Modell: Sonne und Mond über den Augenbrauen, die Planeten in der Reihenfolge der Sphären darüber angeordnet, Merkur, manchmal auch Venus, den Linien der Nasenwurzel zugeeignet. Dieses Modell wird von Cardanus vertreten. Abbildung Moldenarius 1616
  2. Siehe Cardano, Girolamo. La Metoposcopie
  3. Nicolai Spadon: Studium curiosum. In Zwey Theil getheilet, Darinnen von der Physiogmoia Chiromantia und Metoposcopia Johann Zieger, Nürnberg 1695. Enthalten in: Höchstfürtrefflichstes Chiromantisch- Und Physiognomisches Klee-Blatt, bestehend aus drey herrlichen Tractaten. Johann Zieger, Nürnberg 1695. Seiten 79 f.
  4. Hieronymus Cardanus: Metoposcopia libri tredecim et octingentis faciei humanae eiconibus complexa – Cui accessit Melampodis De naevis corporis tractatus 225 Seiten. Thomas Jolly, Paris 1658
    Deutsch: Höchst förtröffl. chiromantisch- und physiognomisches Kleeblatt. Nürnberg 1695. Enthält u.a. einen Auszug der Metoposcopia im 3. Tractat: "Des zu seiner Zeit höchstberühmtesten Herrn Johann Sigmund Elßholtzens Ph. & Med. D. und Churfürstlichen Brandenburgischen Architari Meß-Kunst des Menschlichen Cörpers ... Deme auch eingerückt Cardani des Welt-bekanndten Natur-Erkundigers geheim-gehaltene Metoposcopia Nürnberg, bei Johann Ziegern, 1695. Seiten: 158 ff. und 173 f.
  5. Siehe Abbildung von Praetorius unten
  6. Johannes Praetorius Metoposcopia seu prosopomantia Oehler, Leipzig 1661, Seite 923 ff. im Werk, gezählt ab S. 84 Digitalisat der HAB Wolfenbüttel
  7. Christian Moldenarius: Exercitationes Physiognomicae: Buch 3 Metoposcopiam seu frontis contemplationem Schürer, Wittenberg 1616
  8. Veröffentlicht durch Spontoni (1626)
  9. Cardano im Lehrbuch des Praetorius (Metopuscopia, 1659)