Philipp Melanchthon

Aus Astrodienst Astrowiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Dürers Melanchthon, 1526
Melanchthons Geburtshoroskop

Der deutsche Renaissancegelehrte Philipp Melanchthon, eigentlich Philipp Schwartzerdt (* 16.2.1497 jul. um 19:22 Uhr LMT in Bretten[1]; † 19.4.1560 um 19 Uhr in Wittenberg), war ein Philologe, Philosoph, Humanist, Theologe, Astrologe, Lehrbuchautor, neulateinischer Dichter, und wurde (wegen seiner Lehrpläne, etc.) auch als „Praeceptor Germaniae“ (Schulmeister Deutschlands) bekannt. Neben Martin Luther war er eine treibende Kraft der deutschen und europäischen kirchenpolitischen Reformation.

Biographie

Elternhaus und Kindheit

Handschrift BSB Clm 27003[2]
Melanchthon 1532[3]
Gleichlautende Nativität bei Garcaeus
Von Melanchthon verlegte Carion-Prognose

Philipp Melanchthons[4] Vater Georg Schwartzerdt (um 1459–1508) stammte aus Heidelberg und war mit dem Amt des kurfürstlichen Rüstmeisters und Waffenschmiedes (Vorsteher der fürstlichen Waffenkammer) betraut. Seine Mutter Barbara Reuter (um 1477–1529) war eine Tochter des Tuch- und Weinhändlers, Schultheißen und Bürgermeisters von Bretten. Philipp hatte vier Geschwister.

Er wuchs in Brettheim auf, wie man Bretten damals nannte. Sein Großvater sorgte für eine gründliche Erziehung, vor allem als Unterweisung in lateinischer Sprache durch Johannes Unger aus Pforzheim. So kam er schon frühzeitig mit durchreisenden Gelehrten in Kontakt und konnte mit diesen diskutieren. 1508 starben innerhalb weniger Tage der Vater und der Großvater - womit seine Kindheit beendet war und er zu Verwandten nach Pforzheim kam.

Bildung und Lehre

In Pforzheim besuchte er ab 1508 gemeinsam mit seinem Bruder Georg die Lateinschule und wohnte bei seiner Großmutter Elisabeth (Els) Reuter, der Schwester Johannes Reuchlins. Er war der begabteste Schüler der Schule.

Nach knapp einem Jahr konnte Melanchthon (zwölfjährig) schon im Oktober 1509 die Universität Heidelberg beziehen. 1510 veröffentlichte er in Wimphelings Büchern seine ersten lateinischen Gedichte. Durch seine hohe Begabung bewältigte er das Studium in Heidelberg problemlos und erwarb zum frühest möglichen Zeitpunkt - am 10.6.1511 - den ersten akademischen Grad eines Baccalaureus artium.

Am 17.9.1512 wechselte er aus Altersgründen an die Universität Tübingen. Dort studierte er Astronomie, Musik, Arithmetik und Geometrie. Zugleich beschäftigte er sich mit Griechisch, Hebräisch und Latein. Am 25.1.1514 schloss er sein Studium an der dortigen philosophischen Fakultät mit dem Magistertitel ab. In die Tübinger Zeit fallen seine ersten eigenen Publikationen.

Als Martin Luther 1517 seine 95 Thesen veröffentlichte, fand am 26.4.1518 an der Heidelberger Universität eine Disputation über die Grundlagen seiner Forderungen statt, welche auf Melanchthon entscheidenden Eindruck machte.
Es war sein Großonkel Reuchlin, der ihm 1509 den griechischen Namen Melanchthon gegeben hatte und ihn als ersten Gräzistikürofessor nach Wittenberg empfahl.

Durch den Einfluss Luthers erwarb Melanchthon (in Wittenberg) am 19.9.1519 den theologischen Grad eines baccalaurus biblicus. Dadurch war er es ihm erlaubt, auch an der theologischen Fakultät Vorlesungen zu halten. Obwohl er zeitlebens davon wenig Gebrauch machte.

Familie

Melanchthon mietete sich nach seiner Ankunft in Wittenberg ein schlichtes Haus, das er oft als "Bude" bezeichnete. Dort wohnte er zusammen mit seinem Gehilfen. Luther fürchtete jedoch um seine Gesundheit, welche durch die Männerwirtschaft offensichtlich beeinträchtigt wurde. Um Melanchthons Lebensumstände zu verbessern, aber auch um ihn in Wittenberg zu halten, suchte Luther 1520 für ihn eine Frau. So gelang es ihm, dass Melanchthon am 27.11.1520 Katharina (* Oktober 1497; † 11.10.1557) heiratete.

Obwohl seine Frau aus einem angesehenen Hause stammte und Melanchthon als Professor an der Universität gut verdiente, gab es im Hause Melanchthon nie größeren Wohlstand.

Melanchthon bei Cranach, 1560

Melanchthon erlangte durch sein Wirken in Wittenberg bald ein so hohes Ansehen, dass ihm Angebote anderer Universitäten in Deutschland und Europa unterbreitet wurden. Johann Friedrich I. (Sachsen) wollte den Professoren jedoch in Wittenberg halten und errichtete auf dem Grundstück seiner "Bude" 1536 ein standesgemäßes Haus für ihn, das heute als "Melanchthonhaus" bekannt ist. Als die Familie 1537 in dieses Haus einzog, hatte das Ehepaar bereits die Kinder Anna (* 24.8.1522; † 27.2.1547), Philipp (* 21.2.1525; † 3.10.1605 in Wittenberg), Georg (* 25.11.1527 in Wittenberg; † 1529) und Magdalena (* 19.7.1531; † 12.9.1576).

Als Katharina am 11.10.1557 verstarb, empfand Melanchthon einen großen Verlust, und sehnte sich danach, ihr bald folgen zu können.

Von einer Reise nach Leipzig im Jahre 1560 kehrte er am 4.4. erkältet zurück. Während der Nacht vom 7. zum 8.4. bekam er Fieber, das mit kurzen Unterbrechungen immer wiederkehrte. Am 19.4. sammelten sich die nächsten Angehörigen, um ihm das letzte Geleit zu geben. Gegen 19 Uhr wurden Hände und Füße kalt, und sein Puls setzte aus.

Astrologie

Luther-Horoskop von Gauricus

In jener Zeit des Umbruches, in der Melanchthon lebte und wirkte, trug auch die Astrologie zu dem allgemeinen apokalyptischen Klima bei: die endzeitlichen Prophezeiungen des Johannes Lichtenberger waren damals äußerst populär. Im Spannungsverhältnis von Scholastik und Humanismus, Papsttum und Reformation, Religion und Aberglaube musste die Astrologie für unterschiedlichste, oft auch unseriöse Interessen herhalten. Ihr Wirkungsspektrum reichte von einfacher Volksunterhaltung über propagandistische Hetze bis hin zu gewissenhafter, wissenschaftlicher Arbeit - was in zunehmendem Maße Anhänger und Gegner spaltete. Melanchthon vollzog ebenfalls eine Gratwanderung: einerseits war er der religiösen Erkenntnis verpflichtet, andererseits - oder gerade deswegen - diente er dem "Lichte der Natur", d.h. der Wissenschaft.[5] Zusammen mit Lucas Gauricus und Johannes Carion legte er in den 1530er Jahren Luthers Geburtsjahr von 1483 auf 1484, da sie in ihm den von Lichtenberger angekündigten Propheten sahen, der anlässlich der großen Konjunktion im Skorpion erscheinen sollte[6][7]. "Das öffentliche Eintreten für die Verschiebung des Geburtsjahrs Luthers brachte Melanchthon Differenzen mit dem Reformator ein", der bekanntlich ausdrücklich gegen die Astrologie eingestellt war. "Es bleibt festzuhalten, dass Melanchthon sein Leben lang nicht nur die "Astrologia naturalis", sondern auch die "Astrologia divinatrix" in Ehren hielt."[8] Er war zeitlebens von der tiefen Bedeutung der Astrologie überzeugt, und stellte auch Horoskope. Zu seinen Werken auf diesem Feld gehören eine vielbeachtete Rede "Über die Würde der Astrologie", eine Übersetzung der Tetrabiblos, das Buch "Initia doctrinae physicae" und das Vorwort zur Sphaera des Sacrobosco. Er hielt die Astrologie für eine Naturwissenschaft, verstand sie kausal-mechanistisch: "Die Astrologie ist der Teil der Physik, welcher lehrt, welche Wirkungen das Licht der Gestirne auf einfache und zusammengesetzte Körper ausübt, welche Mischungen, Veränderungen und Neigungen es hervorbringt."[9]

Das "Griechlein" (wie er von Luther gern genannt wurde) war aber auch abergläubisch, überquerte etwa aufgrund einer astrologischen Todesprognose die Elbe bei Wittenberg nie bei Neumond, reiste auch nie nach England oder Dänemark.[10] Andererseits förderte der - mit den vorhandenen Ephemeriden unzufriedene - Gelehrtenkreis um ihn schon früh die Theorie des Nikolaus Kopernikus (siehe dessen "Commentariolus" bzw. die "Narratio Prima" von Georg Joachim Rheticus). Man deutete astrologisch jedoch weiterhin geozentrisch.

Literatur

  • Annegret Becker-Baumann: Martin Luther und die Sterne, Meridian 6/ 2017
  • Walter Koch: Melanchthon, Zwingli und die Astrologie Sonderdruck aus dem 39. Kosmobiologischen Jahrbuch, Seiten 13-32. Ebertin-Verlag, Aalen 1968
  • Stefano Caroti: Melanchthon's Astrology, in Paola Zambelli (ed.), “Astrologi hallucinati", Berlin und New York 1986, S. 109–21
  • Hoppmann, Jürgen: Melanchthons Astrologie Ausstellungskatalog zur Wanderausstellung ab 15. September 1997. Drei Kastanien Verlag. ISBN 3980449289
  • Hoppmann, Jürgen: Astrologie der Reformationszeit: Faust, Luther, Melanchthon und die Sternendeuterei. Mit kompletten Horoskopdeutungen aus der Astronomia Teutsch von 1580. Berlin: Zerling, 1998. 220 S. ISBN 3884680692 ISBN 978-3884680698
  • Müller-Jahncke, Wolf-Dieter: Magister Philippus und die Astrologie - eine kleine Zitatensammlung, in: Hoppmann, 1997
  • Müller-Jahncke, Wolf-Dieter: Philipp Melanchthon und die Astrologie, Theoretisches und Mantisches, in: Melanchton-Schriften der Stadt Bretten 4, Sigmaringen 1998 (Hg. Günther Frank & Stefan Rhein)
  • Brosseder, Claudia: Im Bann der Sterne - Caspar Peucer, Philipp Melanchthon und andere Wittenberger Astrologen Akademie Verlag Berlin 2004, ISBN 978-3-05-003853-7

Quellen und Anmerkungen

  1. Geburtsdaten aus der Astrodatabank/Melanchton Philipp übernommen: Nach dem Astrologen und Zeitgenossen von Melanchthon, Erasmus Reinhold, wurde Melanchthon um 19:20 Uhr geboren. Diese Zeit passt recht gut zur handschriftlichen Horoskopgrafik, die links angegeben ist, welche allerdings mit der Uhrzeit 19:06 versehen wurde. Die Abweichung könnte durch den Unterschied von LAT zu LMT zustande gekommen sein. Lucas Gauricus gibt in seinem Tractatus Astrologicus (Venedig 1552, Blatt 75r 19:06 an. Ebenso Johannes Garcaeus (Astrologiae Methodus, Seite 142), der mit Melanchthon persönlich bekannt war. Rodden Rating B
  2. Hier ist die Geburtszeit mit 19:06 Uhr angegeben, allerdings mit einem Aszendenten, der auf eine spätere Zeit passen würde, nämlich die von Erasmus Reinhold angegebene Zeit von 19:20 Uhr. Anonym, 16. Jahrhundert
  3. Porträts von Lucas Cranach dem Älteren
  4. Biographische Angaben stark gekürzt aus Wikipedia: Philipp Melanchthon
  5. Angabe aus Hopppmanns Ausstellungskatalog Melanchthons Astrologie
  6. Will-Erich Peuckert, Die große Wende. Das apokalyptische Saeculum und Luther. Hamburg 1948, S. 530-532
  7. Irmgard Höß, in: Jürgen Hoppmann (Hrg.): Melanchthons Astrologie. Wittenberg 1997, S. 28
  8. Müller-Jahncke 1998, Zusammenfassung
  9. Rüdiger Plantiko über Melanchthon, wiedergegeben auf Astrologix, 1997
  10. Der Heidelberger Astrologe Johannes Virdung hatte Melanchthons Vater Georg Schwarzert prophezeit, sein Sohn werde im Baltischen Meer umkommen. Siehe Müller-Jahncke 1998, Seite 9