Pierre d'Ailly

Aus Astrodienst Astrowiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Pierre d’Ailly (Petrus de Alliaco)

Der französische Theologe, Mystiker, Mathematiker und Astrologe Pierre d’Ailly[1] (latinisiert Petrus de Alliaco; eingedeutscht Peter von Ailli) wurde gegen 1350 in Compiègne geboren.
Er starb am 9.8.1420 (jul.) in Avignon.

Biographie

Pierre war Sohn des wohlhabenden Metzgers Colard Marguerite, aus einer Familie, deren Wurzeln in Ailly-le-Haut-Clocher lagen. Ob er noch in Ailly oder schon in Compiègne geboren wurde, ist nicht sicher. Er besuchte in Compiègne eine gute Schule und studierte dann in Paris die artes liberales, erwarb 1376 den Baccalaureus und 1377 den Magister. Am 11.4.1380 erwarb er sich den theologischen Doktorgrad und wurde bald darauf Professor an der Universität Paris. Der junge König Karl Vl. von Frankreich ernannte ihn zu seinem Beichtvater und übertrug ihm das einflussreiche Amt eines Almoseniers. 1389 wurde er zum Universitätskanzler berufen, 1395 Bischof von Le Puy en Velay und 1396 von Cambrai; im Jahr 1411 erlangte er die Kardinalswürde.

Durch den Besitz des Bistums war er Reichsfürst geworden, und machte von seinem Recht der Münzprägung Gebrauch. Auf der einen Seite einer Münze steht unter kirchlichen Emblemen: Gelobt sei der Name unseres Herrgottes Jesus Christi. Die andere Seite zeigt einen Adler, darunter die Buchstaben So. Sc. De. Das bedeutet wahrscheinlich: Sol, Scorpio, Deus, was übesetzt heißen könnte „Die Sonne im Skorpion im 9. Haus“, denn "Deus" ist die klassische Bezeichnung für das neunte Haus.

Peter von Ailli war in der Zeit Kirchenspaltung, des sogenannten Schisma, aktiv. Zwei Päpste - ebenfalls Anhänger der Astrologie - regierten damals, Urban VI. in Rom und Clemens VII. in Avignon. Im Konzil von Pisa 1409 wurden beide abgesetzt und Johann XXIII. ihr Nachfolger. Da die beiden ersten Päpste diese Beschlüsse aber nicht anerkannten, entstand eine heillose Verwirrung, die zum Konzil von Konstanz 1414 führte, das dreieinhalb Jahre dauerte. Auf diesem Konzil, führte Ailli zeitweilig den Vorsitz, und im Jahr 1417, war es ihm gelungen, die drei bisherigen Päpste endgültig abzusetzen und Otto von Colonna als Martin V. auf den päpstlichen Thron zu heben.

Ein großer Schatten im Leben von Ailly ist in seinem Wirken als Vorsitzender der Kommission gegen den Reformator Jan Hus zu finden, der auf dem Scheiterhaufen endete.

Ailly schrieb ein Handbuch der Geographie, „Das Gemälde der Welt" oder "Imago Mundi". Christoph Kolumbus wurde durch dasselbe zu seiner Weltreise angeregt. Es heißt darin: "Bei günstigem Winde dauert es nicht gar zu lange, um von Spanien aus Indien zu erreichen." Bei seiner dritten Reise nahm Kolumbus dieses Werk Aillis als wertvolle Reiselektüre mit.

Allgemein hatte Ailly eine ausgezeichnete Gesundheit und war bis zu seinem Lebensende niemals krank. Als er sich im Jahre 1420 in Avignon aufhielt, starb er siebzigjährig am 9. August. Nach seinem Wunsch wurde er in der Kathedrale zu Cambrai am 6.8.1422 feierlich beigesetzt. In seinem Testament hatte er bestimmt, dass der größte Teil seines nicht unerheblichen Vermögens an Hospitäler und Siechenhäuser gegeben werden sollte.

Astrologie

Frontispiz aus dem Druck von 1490: Der Astrologe lehrt den Theologen

Schon als mittelloser Student beschäftigte er sich eingehend mit Astrologie, verschaffte sich zu dieser Zeit und auch später durch das Stellen von Horoskopen Geld. Bei den astrologischen Ausdeutungen bediente er sich bei den Werken des Ptolemäus, Albohali oder Albohazen. Alle seine theologischen Werke sind immer von astrologischen Begründungen durchdrungen. So trat er den theologischen Beweis für die unbefleckte Empfängnis Marias an, unter Heranziehung spitzfindiger astrologischer Momente.

Auch in späterer Zeit, als Diplomat und Unterhändler befragte er vorsichtig stets das Horoskop, ehe er eine Handlung unternahm. Er stellte vielen einflussreichen Zeitgenossen das Horoskop, unter anderem Herzog Ludwig von Orleans, ebenso König Karl und dessen Familie, die teilweise seine Widersacher waren. Die mühevollen mathematischen Berechnungen führte er selbst aus und ließ sich dabei niemals von einem Mathematiker unterstützen.

Gegen Jan Hus führte Ailly auch astrologische Argumente ins Feld, die ihn selbst rechtfertigen sollten, und die er in einem Werk "Über die Eintracht der astronomischen Wahrheit mit der Theologie" niederlegte. Ferner schrieb er ein Traktat "über die Harmonie der Astronomie mit der Geschichtserzählung", und noch einen verbesserten Nachtrag "Klarstellung der astrologischen Eintracht mit der theologischen und historischen Wahrheit". Ebenso verfasste er zwei Abhandlungen zur Verteidigung der Astrologie. Auch hierbei leitete ihn die religiöse Tendenz, den himmlischen Schöpfer aus seinen Werken zu erkennen und zu bewundern. Die Astrologie war ihm stets eine natürliche Theologie.

Von Fatalismus war seine Astrologie weit entfernt: die Gestirne stünden in Gottes Hand. Insofern nahm er Stellung gegen den fatalistisch eingestellten Astrologen Roger Bacon.

Besonders interessierten ihn die großen Konjunktionen der oberen Planeten und er setzte sich für die Ansicht ein, dass ihr Erscheinen am Firmament bestimmte Taten anzeige. So erwähnt er, dass man das Eintreffen der Sintflut und die Geburt Jesu Christi nach den Planeten hätte bestimmen können. Er gilt als der erste Christ, der sich traute, das Horoskop von Jesus zu stellen und zu veröffentlichen. Lucas Gauricus erstellte später ebenfalls ein Horoskop Christi, das mit dem des Peter von Ailli große Ähnlichkeit besaß.

Da sich der Jahreskalender inzwischen sehr deutlich gegenüber dem ursprünglichen Stand verschoben hatte, schrieb er ein Buch über die Kalenderreform, welches im März 1411 in der Paulskirche zu Konstanz öffentlich verlesen wurde. Wenn er damit auch keinen Erfolg erzielte, war sein Werk doch ein erster Anstoß für die spätere Kalenderreform durch Papst Gregor XIII.

Prognosen

Als Gelehrter Astrologe hinterließ er eine Prognose von weltgeschichtlicher Bedeutung. In seinem „Tractatus de concordantia astronomicae veritatis cum narratione historica“ bezeichnet er das Jahr 1789 als eine Zeit großer Umwälzungen. Das Datum ging später als das Jahr der Französischen Revolution in die Geschichte ein: "Anno Christi MDCCLXXXIX si mundus usque ad illa tempora duraverit quod solus Deus novit, multae tunc et magnae et mirabiles alterationes mundi mulctationes futurae sunt et maximre circa leges." Die deutsche Übersetzung lautet: "Im Jahre Christi 1789 werden, wenn die Welt bis zu jener Zeit bestehen sollte, was Gott allein weiß, viele und große und wunderbare Veränderungen der Welt und Grausamkeiten stattfinden und am meisten solche bezüglich der Gesetze."

Begründet ist dies nach Ailly durch den Saturn-Ingress in den Widder, der den zehnten in einer Reihe darstellt. Diese jeweils zehnten Ingresse sollen nach Beobachtungen Albumasars besonders geschichtsträchtige Ereignisse hervorbringen[2]. Plantiko versuchte Aillys astronomische Grundlagen dieser scheinbar exakten Prognose zu ermitteln, fand jedoch, dass diese einer solchen entbehren, allein schon weil Ailly für zehn siderische Saturnumläufe der Einfachheit halber einen Zeitraum von 300 statt 295 Jahren ansetzte[3]. Eine Möglichkeit diese Abweichung zu erklären, bestünde darin, dass Albumasar, und damit auch Ailly, nicht den Saturnumlauf von 29,5 Jahren, sondern eine halbe "Naronische Periode" von sechshundert Jahren als Grundlage nahm. Es bliebe dann zwar noch ein Berechnungsfehler, weil der Saturningress tatsächlich erst im April 1790 erfolgte, doch wäre dann zumindest der Bezug klarer.

Publikationen (Auswahl)

Weltkarte von Ailly (1410; Druck 1483)

Handschriften

  • Tractatus de concordantia theologiae et astronomiae (1414, unter ähnlichem Titel in zahlreichen Handschriften)
  • Tractatus de concordantia astronomicae veritatis cum narratione historica (1414)
  • Elucidarum astronomicae concordiae cum theologia et cum historica narratione“ *„Apologetica defensio duplex astronomicae veritatis
  • De concordia discordantium astronomorum
  • Vigintiloquium de concordantia astronomicae veritatis et narrationis historicae
  • Der Codex 5318 der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien enthält folgende Schriften:
    • (Nr. 3) De concordantia astronomicae veritatis cum theologia
    • (Nr. 4) De concordia astronomiae cum historia
    • (Nr. 5) Elucidarium astronomicae concordiae cum theologia et historica veritate
    • (Nr. 6) Apologeticae defensiones duae astronomicae veritatis
    • (Nr. 7) Opusculum de themate caelesti tempore creationis etc.
    • (Nr. 8) De concordia discordantium astronomorum

Drucke

  • Imago Mundi. Johannes von Paderborn 1483 Digitalisat der BnF
  • Concordantia astronomiae cum theologia. Erhard Ratdolt, Augsburg 1490 Digitalisat der ULB Darmstadt
    Enthält die Schriften:
    • Concordantia astronomiae cum theologia
    • Concordantiae astronomiae cum historica
    • Elucidarii astronomice concordiae cum theologica et historica veritate. (ab Fol. 41)
  • Opuscula spiritualia. 1634 Digitalisat von Google Books ; PDF

Weblinks

Quellen und Anmerkungen

  1. Biographie und astrologisches Wirken zusammengefasst dargestellt aus: Carl Egon Horn; Petrus de Alliaco. Das Lebensbild eines großen Priester-Astrologen. In: „Die Astrologie“ 4/ 5 Juli/ August 1934
  2. Rüdiger Plantiko: Pierre d'Aillys astrologische Geschichtsdeutung (1996)
  3. Plantiko:"Nach den Rechnungen d'Aillys gab es derartige Ingresse in den Jahren 589, 289, 12 ante und 312 ante, die er in dieser Reihenfolge mit dem Auftreten Mohammeds, Manis, Jesu und Alexanders in Verbindung setzt. 889 stünde in Verbindung mit der Einnahme Spaniens durch die Sarazenen und deren Zurückdrängung durch die Europäer. Die Vollendung des folgenden Umlaufs im Jahre 1189 habe Beziehung zur Bekehrung der Livländer, zum Römischen Konzil, zu Kaiser Friedrich I., zur Ermordung Thomas Beckets, zur Begründung der Bettelorden und zur Tatarenherrschaft. D'Ailly zählt diese Ereignisse bloß auf, ohne den Versuch, einen beherrschenden Zug herauszuheben. Das Gemeinsame scheint aber die Veränderung von Welt- und Lebensanschauungen zu sein. Den Ingress von 1489 übergeht d'Ailly - während der folgende im Jahre 1789 zur Hauptstütze seiner schon erwähnten Prognose wird. Es erübrigt sich auch hier zu sagen, dass die "Ingresse", die d'Ailly hier durch bloßes Addieren von 300jährigen Perioden ermittelt, mit der astronomischen Wirklichkeit nichts zu tun haben. Zwar finden wir am 18.4.1790 tatsächlich einen Ingress des Saturn in Widder, aber beim Zusammenfassen von je zehn Umläufen kommt man für die früheren Ingresse auf die Jahre 1496, 1201, 907, 613, 319, 25 und schließlich 271 ante. Wie man sieht, beläuft sich der Fehler zur Zeit Alexanders bereits auf 41 Jahre, also rund eineinhalb Saturnumläufe! Darüberhinaus ist es nicht einzusehen, warum gerade zehn Umläufe zu einer geschichtlichen Einheit zusammengefasst werden sollten. M.E. steckt dahinter außer der besonderen Vorliebe der Araber für die Zahl 10 nichts Weiteres." (Rüdiger Plantiko: Pierre d'Aillys astrologische Geschichtsdeutung (1996))