Schule

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Streitgespräch zwischen Theologe und Astronom[1]

Als Schulen gelten in der Astrologie üblicherweise:

  • Im weiteren Sinne bestimmte Richtungen oder Spezialisierungen, ausgehend von den Überlieferungen der antiken und mittelalterlichen Astrologie, die sich durch ihre Anschauungen, Methodik oder Vorgehensweise deutlich voneinander unterscheiden.
  • Im engeren Sinne bezeichnet eine astrologische Schule eine meist an den Urheber gebundene, zumindest jedoch in ihrer Vorstellung oder Methodik sehr eigenständige Ausrichtung.

Die hier aufgegriffenen Einteilungen seien zunächst entsprechend des weiteren Sinnes zu verstehen: als Kategorien maßgeblicher geistiger Strömungen des 19. und 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Diese Strömungen brachten besonders im Zwanzigsten Jahrhundert Schulen und Systeme im engeren Sinne hervor.

Allgemeines

Gerade in Deutschland haben sich, wie in keinem anderen Land sonst weltweit, zahlreiche Richtungen herauskristallisiert. Oscar A. H. Schmitz, der sich sehr um die Wahrnehmung der Astrologie im Bildungsbürgertum verdient machte, stand diesen Tendenzen skeptisch gegenüber. Bereits 1922 schreibt er über seine Landsleute: "Was könnten die vielen fleißigen und intelligenten Menschen, die sich auch in Deutschland mit Astrologie beschäftigen, leisten, wenn sie sich, statt sich eigenbrötlerisch oder gar national abzuschließen, mehr in die Hand arbeiten wollten".[2] "Echt deutsch ist ferner, dass immer wieder einer versucht, sein eigenes System aufzustellen"[3]

Andererseits steckten in dieser "deutschsprachigen Geistesart" kreative Tendenzen und Denkformen, welche die Entwicklung der Astrologie durchaus vorantrieben. Schon in den Werken Johannes Keplers kann dieser "prometheische" Geist innovativer Impulse beispielhaft studiert werden. Er war in seinen Veränderungen gegenüber der Klassik bereits so radikal, dass er die Einbeziehung der Häuser ablehnte und gleich mehrere neue Aspekte einführte, wie z.B. das Halbquadrat, das Quintil und das Biquintil. Die Fragen, die Kepler seinerzeit bewegten, sind immer noch aktuell - siehe Reinhold Ebertin, der die Zwischenhäuser ebenfalls verwarf. Darum ist - bei aller berechtigten Skepsis oder gar Ablehnung von Eigenbrötlerei - doch anzuerkennen, dass jeder Versuch, die Astrologie in eine neue Richtung zu erweitern, neben Irrtümlichen auch viel Geniales und Wahres in sich birgt. Versteht man Astrologie mehr als Wissenschaft denn als Theologie, ist eine Weiterentwicklung und Prüfung der bestehenden Lehrgebäude nicht nur wünschenswert, sondern sogar geboten. Doch nicht nur in Deutschland, auch im englischsprachigen Raum bildeten sich einige Richtungen heraus, die hier ebenfalls erläutert werden.

Nachfolgend wird keine umfassende Beschreibung der Schulen, allgemeinen und speziellen Richtungen gegeben, sondern es wird gezielt auf ihre Besonderheiten und Merkmale hingewiesen, welche jeweils nach ihrer chronologischen Entstehung aufgeführt werden.

Allgemeine Richtungen (19. und 20. Jahrhundert)

Diese sind weniger an Personen oder spezielle Lehrer gebunden, als vielmehr aus den geistigen Strömungen, Anschauungen und dem Zeitgeist entstanden:

Theosophie

Auch wenn die theosophische Lehre selbst, die nach 1875 von Helena Petrovna Blavatsky ins Leben gerufen wurde, zunächst nicht die Astrologie zum Inhalt hat, sind doch viele Astrologen, die in ihrem Lehrgebäude zuhause waren, davon stark beeinflusst worden. Blavatsky versuchte, die östlichen Lehren von Karma, Reinkarnation und spiritueller Entwicklung in die westliche Kultur einzubringen, ausgehend vom religiösen Bereich, aber auch stark ausgedehnt auf okkulte Strömungen und Wissensgebiete. Dies prägte auch die Astrologie und sie wurde zu jener Zeit ein Teil der "okkulten" Gegenbewegung zur ansonsten sehr materialistischen Geisteshaltung in der Gesellschaft.

Die Voraussetzungen dafür entwickelten sich ab dem 17. Jahrhundert, als die Astrologie in Europa immer mehr in Ungnade fiel - sowohl aus politischen als auch weltanschaulichen Gründen. Sie machte sich, wie auch schon in der späten Antike, bei den Herrschenden (Monarchen) durch fatalistisch-politische Prophezeiungen unbeliebt. Wie empfindlich die Monarchien teilweise auf astrologische Prophezeiungen reagierten, kann am Prozess (1666) gegen William Lilly nachvollzogen werden. Als Beginn des Verfalls der "gelehrten Astrologie" und ihres bisher hohen Ansehens innerhalb der Wissenschaften wird allgemein das Lehrverbot an der Universität Paris durch Jean-Baptiste Colbert (franz. Staatsmann, Finanzminister) im Jahre 1666 betrachtet. Spätestens seit der Aufklärung war die alte Königswissenschaft der Antike abgeschrieben und zu einem Aberglauben degradiert worden, und führte seit dieser Zeit ein nur wenig beachtetes Schattendasein. Insofern, als die Astrologie ja selbst, zumindest im 19. Jahrhundert, noch als okkult und irrational galt, war es der Einfluss der theosophischen Bewegung, die einen erneuten Aufschwung überhaupt ermöglichte.

Nachdem sich einige Theosophen, wie Charubel und Sepharial Ende des 19. Jahrhunderts wieder verstärkt mit der Astrologie auseinandersetzten, löste der Astrologe und Theosoph Alan Leo eine bahnbrechende Renaissance der Astrologie in Großbritannien aus. 1917 ereilte Leo - der als Astrologe ein hohes Ansehen genoss und gerade auf dem Höhepunkt seines Erfolges stand - dann ein ähnliches Schicksal wie einst William Lilly 250 Jahre vor ihm: er wurde der verbotenen Wahrsagerei bezichtigt und verurteilt. Vor allem der frühere Theosoph und spätere Gründer der Rosenkreuzer Max Heindel verfasste astrologische Grundlagenwerke, insbesondere im Bereich der medizinischen Astrologie. Charles E. O. Carter, einer der einflussreichsten englischsprachigen Astrologen, wurde 1922 für viele Jahre der zweite Präsident der "Astrologischen Loge" der "Theosophischen Gesellschaft", gründete 1926 die renommierte Zeitung Astrological Quarterly und war dessen Herausgeber bis 1959.[4]

Die Theosophie selbst entwickelte sich jedoch auch noch im Zwanzigsten Jahrhundert weiter bzw. fand im Werk und Wirken von Alice Bailey und der "Arkanschule" in den 1940er Jahren einen Höhepunkt. In ihrer esoterischen Astrologie, die sie als Medium von einem Geistwesen namens Djwal Khul, genannt auch "Der Tibeter", empfangen haben will, entfernte sich Bailey so weit von der allgemeinen astrologischen Grundlage, dass ihr hier nur wenige zu folgen vermochten oder dazu bereit waren. Es gibt in dieser Schule also die "Eingeweihten", und jene, die außen vor bleiben. Nähere Beschreibungen der theosophisch beeinflussten Astrologiezweige siehe unter

Revidierte Klassik

Orientierend für eine modernisierte Klassische Astrologie kann die weltanschauliche Standortbestimmung der revidierten Klassik von Thomas Ring gelten, deren ganzheitlicher Ansatz innerhalb der Zeitströmung des 20ten Jahrhunderts weitestgehend ohne wesentlichen Widerspruch blieb. Sie lehnt den Determinismus und Fatalismus der klassischen Astrologie strikt ab - womit eine Neuausrichtung der Astrologie gefördert wurde. Thomas Ring verstand sich als ein engagierter Vertreter dieser Richtung, der in seiner fleißigen Lehrtätigkeit erkenntnistheoretische Fragestellungen der Astrologie zu lösten suchte, während er die Sprachführung der altertümlichen Terminologie ablegte und eine neue Wort- und Sprachweise einsetzte, die es in dieser Konsequenz bisher nicht gab. Zuvor hatte Herbert Freiherr von Klöckler mit anderen Zeitgenossen bereits angestrebt, die Astrologe auf naturwissenschaftliche Grundlagen zu stellen. Die klassische Astrologie hatte sich für viele Bedürfnisse und Fragestellungen des modernen und aufgeklärten Menschen als zu eng und auch einseitig herausgestellt, gerade in psychologischer Hinsicht. Gleichzeitig mit der revidierten Astrologie entstanden auch andernorts astrologische Denkrichtungen, die in eine ähnliche Richtung zielten; insbesondere ist hier Dane Rudhyar zu nennen, der als Wegbereiter der spirituellen Astrologie gesehen werden kann.

Psychologische Astrologie

Mit der Entwicklung der Psychologie, angefangen bei Sigmund Freud, Carl Gustav Jung und den nachfolgenden Schulen, blieb es nicht aus, dass sich schon sehr früh Astrologen für Psychologie und Psychologen für Astrologie zu interessieren begannen. Beide Gebiete wurden von vielen Vertretern miteinander verbunden, was heute als eine erfolgreiche und willkommene Synthese angesehen wird. Insbesondere die Individualastrologie hat, wie die Psychologie, Erkenntnisse über den einzelnen Menschen und die Verbesserung seiner Lebensbedingungen zum Ziel; insofern ergibt sich eine derart große Schnittmenge beider, dass ihre Ergänzung und gegenseitige Befruchtung fast zwangsläufig erscheint.

Mit dem Aufkommen der Humanistischen und Transpersonalen Psychologie können die 1960er Jahre als die eigentliche Geburtstunde der Psychologischen Astrologie angesehen werden (obwohl eigentlich bereits in den 1920er und 30er Jahren die astropsychologischen Fundamente gelegt und erarbeitet wurden). André Barbault war einer der professionellen Psychoanalytiker der ersten Stunde, der sich seriös mit der Astrologie auseinandersetzte und diese mit der Psychologie zu verbinden suchte. Den Anstoß dazu gab er in seinem 1961 erschienen Werk: Von der Psychoanalyse zu Astrologie.[5][6] Auch der Psychoanalytiker Fritz Riemann wäre hier zu nennen. Viele psychologische Astrologen haben sich insofern relativ weit von den Wurzeln der klassischen Astrologie entfernt, als in ihrer astrologischen Arbeit die Prognose kaum mehr eine Rolle spielt. Es geht ihnen um ein tieferes Verständnis dessen, wie man sich selbst erkennen und dadurch sein Schicksal aktiv gestalten kann. Insbesondere der freie Willen des Menschen wird hoch geschätzt sowie die Annahme einer deterministischen Festlegung des menschlichen Schicksals abgelehnt.

Als heute populärste tiefenpsychologisch orientierte Astrologin gilt Liz Greene; im deutschen Sprachraum hat sich der Psychologe Hermann Meyer seit den 1980er Jahren als Astrologe einen Namen gemacht.

Schulen

Folgende Schulen sind und waren besonders an ihre Urheber gebunden:

Hamburger Schule/ Uranian Astrology (1923)

Die von Alfred Witte 1913/ 1919 in Hamburg begonnene methodenkritische Auswertungstechnik führte ab 1923 durch Friedrich Sieggrün zur Gründung der Hamburger Schule. Sie lehrt, die astronomischen Grundlagen, insbesondere die Faktoren Medium coeli und Aszendent getrennt zu berücksichtigen, sowie für die Deutung oder Übersetzung eines Horoskops die verschiedenen Konstellationen nach "Planetenbildern" zu ordnen. Ein Planetenbild besteht aus zwei Halbsummen und ist wie eine algebraische Gleichung zu verstehen. Mit dieser Symmetrie-Technik und der dazu gehörenden drehbaren Gradscheibe fanden Witte und Sieggrün je vier hypothetische Transneptuner (-Planeten), die bis heute physikalisch allerdings nicht nachgewiesen werden konnten. Alfred Witte unterschied nicht mehr die Qualität der Aspekte, wie es typisch für die Klassische Astrologie ist, sondern sah in der vorhandenden Symmetrie zueinander die Bedeutung der Planetenbeziehungen sowie Horoskopfaktoren, entsprechend ihrer Positionen in den Häusern (MC-, Aszendent-, Erd-, Sonnen-, Mond-, Mondknoten- und Planeten-Häuser)[7][8].

Wenn beispielsweise zwei Planeten in einem Trigon zueinander stehen, und ein weiterer Planet in der Halbsumme der beiden, was folglich ein Sextil des Halbsummenpunktes ergibt, hat dieser Punkt nach Witte die gleiche Grundbedeutung wie die Halbsumme, die sich aus einer Opposition und einem Quadrat bilden würde; sie wird jedoch durch die Hausstellung weiter differenziert. In der Klassischen Astrologie ergeben sich vergleichsweise völlig andere Bedeutungen, so dass die Hamburger Schule im Widerspruch steht zu den Erfahrungen der antiken Astrologie und den Bestätigungen, die diese beispielsweise von Johannes Kepler und anderen Reformern der Klassik erhielt. Die Vielzahl der Deutungsfaktoren (mit den Transneptunern und den Planetenbildern sowie den Häusern) sind einerseits eine Möglichkeit zu einer sehr differenzierten Deutung des Horoskops. Für andere dagegen führten sie zur Verwirrung und früh zu einer Ablehnung der Hamburger Schule.

Heute ist sie - im englischsprachigen Raum Uranian Astrology genannt - als Spezialmethode zwar bekannt, wird jedoch, weltweit gesehen, im Vergleich zu anderen Methoden, nur von wenigen Astrologen ausgeübt. Die Halbsummentechnik als solche wird dagegen von vielen Astrologen immer wieder eingesetzt. Nur Ebertins Kosmobiologie hat das System Halbsumme/ Planetenbild vollständig übernommen, allerdings ohne die Methodik der Häuser.

Die Glahn-Methode (1923)

Die Glahn-Methode konnte sich nie als Schule etablieren. Ihr "System" hat aber wichtige geistige Impulse aus der Hamburger Schule erhalten und auch Nachfolgeschulen stark beeinflusst. Insofern kann von ihr durchaus als "Schule" gesprochen werden.

1923 veröffentlichte Frank Glahn, der zunächst Schüler von Alfred Witte war, erstmals sein Hauptwerk Erklärung und systematische Deutung des Geburtshoroskops[9], in dem er ein völlig neues und ausgereiftes System der Deutung und Berechnung vorlegte. Seine außergewöhnlichen, noch nicht bekannten Techniken waren nicht als Gründung einer neuen "Schule" konzipiert, obwohl sie ein in sich vollständiges und abgeschlossenes System darstellten. Gelehrt wurde es noch von seinem Meisterschüler Engelhardt, bevor die Gestapo fast alle seine Werke vernichtete. Nach 1945 waren kaum noch Bücher von Glahn erhältlich. Die Kosmobiosophische Gesellschaft gab später wieder gerettete Kopien der früheren Glahn-Lehrbriefe heraus, aber aktiv wurde das System nicht mehr gepflegt und verbreitet. Inwieweit Glahns Lehren im allgemeinen Einfluss auf spätere Generationen gehabt haben, ist schwer einzuschätzen. Der Historiker und Astrologe Wilhelm Knappich erwähnte Glahn gelegentlich und wies auf die Verwandtschaft seiner Techniken mit Vorbildern aus der Antike hin, etwa die der Profektion. Es scheint jedoch so zu sein, dass die Münchner Rhythmenlehre sich in ihren berechnungstechnischen Methoden an der Glahn-Methode orientierte, ebenso die spätere Huber-Schule.

Kosmobiologie/ Akademie Aalen (1928)

1928 wurde die Kosmobiologie von den Astrologen Heinz Artur Strauß und Karl Ernst Krafft ins Leben gerufen und ist eine seit 1938 stark von Reinhold Ebertin geprägte und beeinflusste astrologische Richtung, was nach dem Krieg (1956) zur Gründung der Kosmobiologischen Akademie Aalen - Arbeitsgemeinschaft e.V. führte. Sie ist heute fast nur noch unter dem Namen Kosmobiologie bekannt. Zwar stammt der Begriff nicht von Ebertin[10], doch hat er das dazugehörige Gedankengut stärker als jeder andere Astrologe durch seine rege Verlegertätigkeit und zahlreiche Publikationen weltweit bekannt gemacht. Der wissenschaftlich orientierte, entmystifizierende und funktional-technische Ansatz der Kosmobiologie, ihr Verzicht auf Häusersysteme und Begriffsneubildungen wie das Kosmogramm (an Stelle des Horoskops) hat die breite Astrologenschaft allerdings nie wirklich erreichen können. Ebenso wurde ihre Abschaffung der harmonischen Aspekte der Klassik, wie das Trigon und Sextil, nur von der Münchner Rhythmenlehre übernommen. Die aus der Hamburger Schule stammende Berechnung der Halbsummen und deren Planetenbilder sowie der 30°-Kreis und der 90°-Kreis (entsprechend dem zwölften und vierten harmonischen Horoskop) konnten zudem außerhalb des Kreises der Kosmobiologen keinen größeren Anklang finden.

Die Tatsache, dass bekannte Protagonisten der Kosmobiologie, wie Thomas Ring oder Walter Koch keinerlei Berührungsängste gegenüber dem "Mainstream" der Astrologie hatten, lässt die prinzipielle Offenheit der Kosmobiologie erkennen. Michel Gauquelin und heutzutage Heidi Treier sind ebenfalls der Kosmobiologie verbunden.[11]

Münchner Rhythmenlehre (1953)

Die Münchner Rhythmenlehre, wie sie von Wolfgang Döbereiner ausgestaltet wurde, ist eine astrologische Schule, die in vielen Bereichen andere Wege geht. Beispiele hierfür sind die Septare, die Gruppenschicksalspunkte und eine spezielle Astrokartographie. Besonderes Kennzeichen dieser Lehre sind ihre klaren, schlagwortartigen Definitionen systemeigener Begriffe, mit denen innerhalb eines festgelegten Deutungsablaufs ein Horoskop ausgelegt, bzw. möglichst dem Deutungsweg gemäß objektiviert werden soll.

Die schuleigene Auffassung der Bedeutung von Tierkreiszeichen, Häusern und Planeten weichen teilweise erheblich von den Beschreibungen der Klassischen Astrologie ab. Döbereiner formuliert die Intention seiner Lehre folgendermaßen: "Die Münchner Rhythmenlehre ist als Ablösung der „Klassik“ entstanden.(...) Die offizielle Welt der Wissenschaft und Industrie und die inoffizielle der Astrologie sind unvereinbar. Die Astrologie erfasst die Gestalt der Geschehen, die Wissenschaft ist auf die Ausübung als Erscheinung beschränkt. Deshalb haben sich die Ergebnisse der Astrologie in der inoffiziellen Welt geoffenbart, nicht in der offiziellen.[12].

Im Unterschied zu anderen, der modernen Wissenschaft und Gesellschaft gegenüber aufgeschlosseneren astrologischen Richtungen, die häufig Denkweisen und Anschauungen der Psychologie in die Astrologie integrieren, verwendet Döbereiner meist abstrakte Begriffe und Beschreibungen für seine Deutungslehren, die im Denken eine Distanz zu etablierten Wissenschaftszweigen (z.B. Psychologie) ermöglichen sollen, um somit die Gestalten und Formen des Lebens und ihrer Erscheinungen in möglichst reiner und sprachlich unabhängiger Weise von gesellschaftlichen Vorstellungen und Maßstäben beschreiben und begreifen zu können. Ereignisse, Lebensprobleme bis hin zu schweren Schicksalsschlägen und Krankheiten erhalten auf diese Weise systemeigene, i.d.R. von der Norm unabhängige und sozialkritische Erklärungen und Begründungen.

Döbereiner wirft der zeitgenössischen Astrologie vor, dass sie Teile der Münchner Rhythmenlehre verwendet und getarnt als Klassische Astrologie eingeflochten hat.

Döbereiner: Die „Klassik“ gibt es nur noch dem Namen nach. Sie ist von den Begriffen, Zuordnungen wie Vorgehensweisen der Münchner Rhythmenlehre derartig durchsetzt, dass sie zur anonymen Ausformung der Münchner Rhythmenlehre wurde, und viele Astrologen und Autoren guten Glaubens vermuten mit Klassik zu hantieren. Die Kennzeichnung der Ergebnisse der Münchner Rhythmenlehre als Klassik geschieht gleichzeitig mit der vollen Absicht, diese Ergebnisse zu anonymisieren und zu „veraltertümeln“, um in einer „feindlichen Übernahme“ die Erfahrungswelt der Astrologie den Vorgängen der Wissenschaft und ihren Ausübungen einzuverleiben mit dem Alleinvertretungsanspruch, den die offizielle Welt aus dem Erwerb von Denkberechtigungsscheinen herzuleiten versucht.

Angesichts des neuen Zeitgeistes, der sich in der Astrologie seit einigen Jahren durchsetzte, die historischen Wurzeln aus früh- und spätantiken Perioden der Klassischen Astrologie freizulegen, dürften somit zukünftig Versuche "unerkannter Übernahmen" zum Scheitern verurteilt sein. Durch die Verbreitung und Übersetzungen alter Werke scheinen Verwechselungen mit Formen der Münchner Rhythmenlehre für ernsthaft Studierende kaum noch möglich, weshalb vielerorts mit Unverständnis auf solche Aussagen Döbereiners reagiert wird.

Sein daran angeknüpfter zweite Vorwurf, dass die "Erfahrungswelt der Astrologie" (also nicht explizit die der Münchner Rhyhtmenlehre), der offiziellen Welt und ihren Machtzentren "in voller Absicht" einverleibt werde, hat seinen Grund in Döbereiners grundsätzlich wissenschafts- wie gesellschaftskritischer Haltung, so dass an seiner Schule, die ein Studium der Astrologie in sechs Semestern vorsieht, auch keine Abschluss-, Qualifikationsnachweise oder ähnliche Zertifikate vorgesehen sind, die er gelegentlich als „Denkberechtigungsscheine“ oder „Herdenscheine“ bezeichnet. Damit stellt er sich bewusst gegen das historische Beispiel eines Dr. Hubert Korsch, der im Dritten Reich (1933) eine Verbandsprüfung für “wissenschaftlich arbeitende Astrologen“ anregte, dessen erfolgreiche behördliche Absicherung (1935) noch heute vom Deutscher Astrologen-Verband als Erfolg angesehen wird[13] und deren heutige Fortsetzung als DAV-Verbandsprüfung. So stellt sich Döbereiner vehement gegen die berufspolitischen Ziele einer Verbandsastrologie (in seinen Worten "eine Vereinnahmung durch die Herde"), die eine Integration und gesellschaftspolitische wie rechtliche Anerkennung der Astrologen anstrebt.

Huber-Schule (1968)

Die Huber-Schule wurde von Bruno Huber und Louise Huber 1968 ins Leben gerufen. Offiziell nennt sich diese Schule Astrologisch-Psychologisches Institut (API). Ihre philosophischen Grundlagen bilden die Theosophie von Alice Bailey und die Psychosynthese von Roberto Assagioli. Durch ihre humanistisch-psychologische Ausrichtung, welche astrologische Prognosen grundsätzlich für nicht zielführend hält, konnten die Hubers jedoch das Bedürfnis der breiteren astrologischen Gemeinde nie erfüllen. Auch diese Schule hat Besonderheiten, wie etwa den sog. Alterspunkt. Bei ihm handelt es sich um eine Symbolische Direktion oder Profektion, wie man sie vom Prinzip her auch bei anderen Schulen kennt. Er stützt sich allerdings auf ein spezielles Häusersystem, das Koch-Häusersystem, und scheint nur dort zu funktionieren.

Mit seinen Aspektfiguren scheint es dem API andererseits gelungen zu sein, ein Deutungselement zu entwickeln, das sich früher oder später als mehrheitstauglich erweisen könnte. Das allgemeine Bedürfnis, ein Horoskop auch auf diese Art zu deuten, ist jedenfalls vorhanden.

Transpersonale Astrologie (1990)

Die in den 1990er Jahren entstandene Transpersonale Astrologie des Michael Roscher wird meist als astrologische Schule bezeichnet. Ihre Wurzeln hatte sie in der Hamburger Schule, ohne jedoch deren Besonderheiten wie die Transneptuner aufzugreifen, was diese Schule ja von der Hauptrichtung der Astrologie entfernte. Die Differenzierung der Planeten wurde von Roscher noch verfeinert. Er entwickelte außerdem das Kybernetische Modell und die sogenannten Kritischen Grade. Die Deutungsansätze der TPA stimmen ansonsten jedoch so weitgehend mit derjenigen der astrologischen Allgemeinheit überein, dass davon auszugehen ist, dass sich diese Schule irgendwann, wie teilweise schon jetzt, eher als Strömung denn als separate Richtung der Astrologie entwickeln wird.

Insgesamt kann die Transpersonale Astrologie als gelungener Versuch gesehen werden, das allgemeintaugliche Gedankengut der Hamburger Schule in die sonst akzeptierte Astrologie zu integrieren.[14]

Spezielle Richtungen

Diese sind nicht so eng an einen Lehrer und dessen Anschauungen gebunden, jedoch sind sie zu speziell, um sie als "allgemein" zu bezeichnen.

Kosmobiosophie (1946)

Die Kosmobiosophische Gesellschaft (KBSG) wurde von mehreren Astrologie-Lehrern 1946 in Hamburg gegründet, deren Hauptmerkmal ein medizinisches und biologisches Arbeitsgebiet war. Auf der einen Seite waren sie stark esoterisch beeinflusst, auf der anderen Seite verfolgten die Mitglieder neue und wissenschaftliche Veränderungen und Entwicklungen, die sie in ihre Arbeit einbrachten. Edith Wangemann prägte 23 Jahre die Arbeit und Ausrichtung der Kosmobiosophie, die das Koch-Häusersystem als Grundlage favorisierte und verbreitete. Bis auf spezielle und eingegrenzte Themenbereiche (z. B. Erkenntnisse zur Physiognomie und zu Konstellationen) hatte die Kosmobiosophie bisher nur geringen Einfluss auf die Entwicklung der Astrologie.

Harmonic Astrology (1970)

Die Harmonic Astrology wurde von dem britischen Astrologen John Addey in den späten 1970er Jahren entwickelt. Man kann sie zwar nicht streng im hier verstandenen Sinne als Schule bezeichnen, dennoch als eine Methode, die sich derart von der Klassik abhebt, dass sie eine eigene Sichtweise und zahlensymbolische Entschlüsselung der astrologisch üblichen Aspekte darstellt. Die Berechnung der sogenannten harmonischen Horoskope, kurz Harmonics, stellt eine Methode zur strukturellen Bewusstwerdung bisher unsichtbarer Schwingungsbilder dar, damit eine Ergänzung mit neuartigen Einblicken in die zeitlich-geometrisch verborgenen Strukturen des Horoskops, welche anhand von Zahlenschlüsseln bzw. Multiplikatoren sichtbar werden.

Astrosophie (1971)

Der Begriff Astrosophie wurde von Arthur Schult Ende der 1960er Jahre durch diverse Publikationen eingeführt. Sein Ziel war, die moderne Astrologie wieder auf ihre kulturübergreifend religiösen Wurzeln zu lenken - was auf breiter Basis jedoch kaum gelang. Schult verband in der Astrosophie christlich-religiöse Mysterien, die er mit pythagoräisch und hermetisch-ägyptisch beeinflusster Esoterik und dem Wissensgut der Klassik zu einer Pansophie vereinigte und in seinem Lebenswerk Astrosophie[15] zusammenfasste. Diese "geistige Strömung" dürfte esoterisch orientierte Astrologen stark beeinflusst haben, sowie Randolf M. Schäfer, der 1988 eine astrosophische Symbolkunde begründete. Etwa seit der Jahrtausendwende bezeichnet auch der Anthroposoph Robert Powell seine Forschungen und Veröffentlichungen als "Astrosophie".

Astronenergetik (1980)

1975 wurde von Hans Taeger eine Schule für Astrologie und Buddhismus gegründet, aus deren Entwicklungszeit der Begriff Astroenergetik (eine relativ junge Wortschöpfung) Anfang der 1980er hervorging und 1988 ff. das Institut für astroenergetische Studien (IAS, anfangs in Münster, dann in Portsalon/ Irland beheimatet). Die Verbindung von Buddhismus, insbesondere der trantrischen Prägung, und Astrologie ist für die westliche Astrologie ungewöhnlich und sehr speziell. Zitat: "Durch den Begriff Astroenergetik wird der vielschichtig und dynamisch ineinandergreifende Prozess kosmischer Energien und deren intuitiv-ganzheitliches Erfassen hervorgehoben, der durch den reinen Logos (Astro - logie) eine zu starre, eindimensionale und intellektuelle Umschreibung findet. Astroenergetik betrachtet das Wechselspiel von Sonnensystem, Tierkreis und Mensch als Ausdruck eines lebendigen, tantrischen Organismus, der geistige Wachstums- und Lernvorgänge im Rahmen der galaktischen und wiedergeburtsgebundenen Evolution ermöglicht."

Siehe auch

Quellen und Anmerkungen

  1. Pierre d'Ailly (Petrus de Alliaco), Concordantiae astronomiae cum theologia necnon historicae veritatis narratione, Augsburg 1490
  2. Schmitz, Geist der Astrologie, München, 1922, S. 63
  3. Schmitz, S. 64
  4. Charles Carter in der englischen Wikipedia
  5. Originalausgabe, Baurbault, André: De la Psychoanalyse à l’Astrologie. Èditions du Seuil, Paris, 1961
  6. Baurbault, André, Von der Psychoanalyse zu Astrologie, Hugendubel, München, 1991
  7. Witte, Alfred: Der Mensch - eine Empfangsstation kosmischer Suggestionen." Ludwig Rudoph (Witte-Verlag), Hamburg 1975, S. 67, 78, 89, 101, 274, ISBN 392080711
  8. Lefeldt, Hermann: Methodik der astrologischen Häuser und Planetenbilder (System Hamburger Schule). Band 1: Die Häuser. Ludwig Rudolph (Witte-Verlag), Hamburg 1962
  9. Glahn, A. Frank: Erklärung und systematische Deutung des Geburtshoroskops. Uranus-Verlag, 1923
  10. Krafft nannte seine Forschungen schon 1921 "Kosmobiologie".
  11. Wikipedia: Kosmobiologie
  12. Homepage von Döbereiner
  13. Siehe Geschichte des DAV
  14. Nicht verwechselt werden sollte Roschers Schule allerdings mit der Transpersonalen Astrologie von Rudhyar
  15. Schult, Arthur: Astrosophie. Lehre der Klassischen Astrologie. Kosmische Signaturen des Menschenbildes, Bietigheim, Turm Verlag, 1971