Sonnenbogen

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Sonnenuhrzeiger

Der Sonnenbogen ist die Strecke, gemessen in Bogengraden entlang der Ekliptik, welche die Sonne innerhalb eines bestimmten Zeitraums zurücklegt.

Bei vielen Direktions- und Progressionsmethoden wird das Medium coeli nach dem Sonnenbogen weiterbewegt, das heißt: der Abstand zwischen Sonne und MC bleibt immer gleich. Alle anderen Häuserspitzen werden dann jeweils gemäß dem MC berechnet.

Naibodbogen

Der Naibodbogen wurde von Valentin Naibod in die Astrologie eingeführt. Es gibt den mittleren und den wahren Sonnenbogen. Ersterer, auch Naibodbogen genannt, stellt einen Mittelwert dar und wird nach dem so genannten Naibodschlüssel berechnet, dem eine Tagesstrecke der Sonne von 59 Bogenminuten und 8,33 Bogensekunden zugrunde legt. Der Wert kommt rechnerisch dadurch zustande, dass die Sonne in 365 1/4 Tagen 360 Grad zurück legt. In der Fachliteratur wird deshalb häufig angenommen, dass der Naibodbogen nur der Mitteltwert der ekliptikalen Sonnenbewegung sei und damit nur einen ideellen Normwert für die Direktion mit dem Naibodschlüssel darstelle. Das ist jedoch nur bezogen auf die ekliptikale Sonnenbewegung richtig, denn der Naibodbogen leitet sich anders ab. Da jedoch die mittlere Bewegung der Sonne dem Naibodbogenwert entspricht, ist dieser Irrtum verständlich. Kündig:"Die tägliche Bewegung dieser mittleren Sonne beträgt 0°59´8,33. Der Naibodschlüssel wird jedoch noch anders definiert. Der tägliche Sternzeitfortschritt beträgt nämlich 3 m 56,555 s, was, in Bogen ausgedrückt, wiederum 0°59´08,33 ergibt. Folglich heißt die Formel für diesen Schlüssel auch: mittlere tägliche Sonnenbewegung = 1 Jahr oder, auf die Sternzeit bezogen: täglicher Sternzeitfortschritt = 1 Jahr." [1] Mit anderen Worten, der Naibodschlüssel, der für die Primärdirektion verwendet wird, ist kein irrealer oder ideeller symbolischer Mittelwert, wie häufig behauptet, sondern leitet sich aus der Rotationsbewegung der Erde ab, die sich bis auf vernachlässigende Minimalwerte immer gleichförmig bewegt bzw. rotiert. Viele Autoren meinten, diese Tatsache nicht berücksichtigend, man müsse den wahren Sonnenbogen für die Primärdirektion benutzen, da ja die Sonne seit der Kopernikanischen Wende im Mittelpunkt der Welt stehe und nicht mehr die Erde. Da sich jedoch die Sonne - nicht wie die Rotation der Erde - aus irdischer Sicht nicht gleichförmig bewegt, sondern an jedem Tag ungleich dem anderen, wurden zahlreiche Direktionsschlüssel abgeleitet, die allesamt auf dem ungleichförmigen Fortschreiten der Sonne beruhen.[2] Während Naibod noch die Korrektur von 1° in RA des Ptolemäus vornahm, und den Direktionsschlüssel für die Primärdirektion präzisierte, wollte Johannes Kepler bereits das tägliche ungleichförmige Fortschreiten der Erde, nicht deren selbst als Rotation um ihre Achse, sondern um die Sonne berücksichtigt wissen. Placidus de Titis entwickelte einen ähnlichen auf der Sonnenbewegung (jährliche Erdbewegung um die Sonne) beruhenden Individualschlüssel. Der deutsche Pionier des Primärdirektionsverfahrens Erich Carl Kühr bemühte sich jedoch darum, erneut zu veranschlaulichen, dass der Naibodschlüssel ein real-astronomischer Wert ist, der ganz natürlich dem Prinzip der Primärdirektion entspricht, durch keinen Individualschlüssel zu ersetzen und an jedem Tag im Jahr gültig sei.[3]

Wahrer Sonnenbogen

Die Direktion mit dem "wahren Sonnenbogen", gelegentlich auch individueller Sonnenbogen genannt, wurde von Alfred Witte wieder eingeführt. Sein Schüler Reinhold Ebertin übernahm die Berechnungsform und machte sie populär. Bereits Johannes Kepler rechnete mit dem wahren Sonnenbogen, während bis heute noch viele Astrologen den Naibodschlüssel verwenden. Der wahre Sonnenbogen eines bestimmten Tages wird durch Interpolation herausgefunden. Wenn sich die Erde im derzeitigen Perihel auf 11° Steinbock ("Diamant") befindet, benötigt sie nur etwa 28 1/2 Tage, um ein Tierkreiszeichen von 30° zu durchlaufen, im Aphel auf 11° Krebs ("schwarze Sonne") sind es jedoch etwa 30 1/2 Tage.

Wenn also eine Progression berechnet wird, bei der 1 Tag = 1 Jahr entspricht, dann macht sich über die Jahre hinweg schon ein Unterschied bemerkbar, ob der Geborene im Winter oder Sommer geboren ist: bei einem Alter von 30 Jahren kann die Abweichung des wahren vom mittleren Sonnenbogen bereits ein Jahr betragen! Während die Sonne die Frühlings- und Herbstzeichen durchläuft, ist der Unterschied allerdings wesentlich geringer.

Bonerts Buch

"Sonne progressiv" ist eine Sonnen-Position: ein Tag des Lebens von Geburt an wird wie ein Lebensjahr gewertet; der erste Tag des Lebens entspricht dem ersten Jahr. Der siebte Tag dem siebten Jahr usw. Jede Position, welche die Sonne in Tagen nach der Geburt erreicht, heißt "Progressiver Sonnenstand". Der Winkelabstand zwischen "Sonne radix" und "Sonne progressiv" heißt Sonnenbogen. Dieser ist für jeden Menschen ein individueller Direktionsbogen. Johannes Kepler: „Elftens. Die Direktion der Sonne im Thema des Papstes ist an dem Geviertschein mit Saturn, eben zu der Zeit, wenn man dirigiert mit der täglichen Wanderung der Sonne, wie ich immer zu tun pflege; jenes aber wird für Mißgeschick gehalten."[4]

Begründet wird die Verwendung der Sonnenbogen-Direktion bei Witte mit der Annahme, dass die Sonne alles Körperliche als Form oder Gefäß bedeute. Für den Menschen symbolisiere die Sonne den ganzen Körper mit allen physischen, geistigen und seelischen Merkmalen. Der Körper trage die Seele des Menschen. Deshalb gehörten Körper und Seele zusammen. Der Mensch auf der Erde mache die Reise (Bewegung) der Erde um die Sonne mit. Darum dürfen mit dem Sonnenbogen auch alle anderen Radix-Faktoren dirigiert werden. [5]

Weblinks

Literatur

  • Klaus Bonert: Sonnenbogen-Direktionen im Lebenslauf. Astrologische Prognose einfach und effektiv, 36 Abbildungen und zahlreiche Tabellen, 196 Seiten, Chiron Verlag Tübingen 2007, ISBN: 978-3-89997-147-7, EAN: 9783899971477

Quellen und Anmerkungen

  1. Kündig, Heinrich, Astrologische Prognose, 1955, S. 207
  2. Tatsächlich ist es natürlich die Erde, die jährlich um die Sonne auf einer elliptischen Bahn kreist
  3. Kühr, Erich Carl, Berechnung der Ereigniszeiten, 1938, S. 63
  4. Aus einem Brief Keplers an Kaiser Rudolph II. über den Streit zwischen Venedig und Papst Paul V. Abgedruckt in Johann Wilhelm Pfaff, „Astrologisches Taschenbuch für 1823", Palm, Erlangen 1823. Zitiert von Friedrich Sieggrün in „Korrektur eines Horoskopes nach Gesichtspunkten der Hamburger Schule" Astrologische Rundschau, 18. Jahrgang, Heft 8, November 1926, S.326
  5. Alfred Witte: Das progressive Jahreshoroskop. „Astrologische Blätter", Linser-Verlag, Leipzig, 6. Jahrgang, Heft 2, Mai 1924, Seite 38. Und in Alfred Witte: Der Mensch - eine Empfangsstation kosmischer Suggestionen. Ludwig Rudolph (Witte-Verlag), Hamburg 1975, Seite 97 ISBN 3-920807-11-1