Sphärenharmonie

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Kosmische Harmonien des Hermes Trismegistos (rechts)[1]

Synonym: Musica universalis

Vor ca. zweieinhalbtausend Jahren prägte Pythagoras für die universelle Ordnung, die Musik, Zahl und Kosmos umfaßt und verbindet, den Begriff der Sphärenharmonie. Als Sphärenmusik (nach altgriechisch σφαίρα sphaíra Kugel) bezeichnet man die Vorstellung, dass bei den Bewegungen der Himmelskörper und der sie tragenden durchsichtigen Kugeln ("Sphären") Töne entstehen, deren Höhe von ihren jeweiligen Abständen und Geschwindigkeiten abhängt. Die Töne ergeben einen harmonischen Zusammenklang (griechisch symphōnía), der jedoch für die Menschen normalerweise nicht hörbar sei.

Die Himmels-Sphären im Mittelalter

Geschichte

Antike und Mittelalter

Die Idee stammt von Pythagoras von Samos oder seinen Anhängern, den Pythagoreern, und bildet ein wesentliches Element ihrer Kosmologie. Dahinter stand die Überzeugung, dass der Kosmos eine durch mathematische Proportionen optimal geordnete Ganzheit sei, und dass sich daher in der Astronomie dieselben Verhältnisse und Gesetzmäßigkeiten zeigen würden wie in der Musik (Oktave 2:1, Quinte 3:2, Quarte 4:3, Doppeloktave 4:1, etc.).[2]

Die ältesten Belege für das Konzept der Himmelsharmonie bei den frühen Pythagoreern stammen aus dem vierten Jahrhundert v.Chr.; es handelt sich um Angaben von Aristoteles und eine indirekte Bezugnahme in einem Fragment aus einem verlorenen Werk des Pythagoreers Archytas von Tarent. Ferner sind in Platons Kosmologie undeutliche Spuren einer Sphärenmusik zu erkennen.

Die Theorie wurde von den Philosophen über die Spätantike bis weit ins Mittelalter hinein, auch bei den gelehrten Arabern, viel und kontrovers diskutiert. Teilweise war die Vorstellung, dass die Planeten selbst - oder den Sphären zugehörige Engel - bestimmte "Planetentöne" erzeugen würden. Teilweise, dass ihre Abstände den Intervallen der Tonleiter entsprächen.

Noch im siebzehnten Jahrhundert waren sowohl der Arzt und Okkultist Robert Fludd, als auch der Jesuit und Universalgelehrte Athanasius Kircher von einer allumfassenden "Weltharmonie" überzeugt. Kircher sprach in diesem Zusammenhang von einer regelrechten kosmischen "Weltorgel".

Planeten und Klänge[3]

Johannes Kepler

Für Kepler werden die klassischen Wissens-Bereiche des "Quadriviums" (Astronomie, Musik, Arithmetik und Geometrie) durch Archetypen miteinander verbunden. Unter "Archetypen" verstand er geometrische Urbilder, vor allem die Polygone oder Eckfiguren wie z.B. das Fünfeck oder das Sechseck. Astronomisch fand er in den planetaren Aspekte - auf analoge Weise - die gleichen Verhältnisse wie in der Musik.[4] Er stellte fest, dass das Verhältnis der Bahngeschwindigkeiten der verschiedenen Planeten zueinander mathematisch ziemlich genau musikalischen Akkorden entsprach. Je nach Bahnposition (im Perihel oder Aphel) vermochte er in der erklingenden "Himmelsmusik" sogar Dur- und Molltonarten zu unterscheiden.[5] Seine Entdeckungen bestätigten ihm die Bedeutung der Geometrie als wesentliches Formprinzip der Welt. Wie die Pythagoräer hatte er ganzzahlige Proportionen sowohl am Firmament (in den Schwingungen oder Rhythmen der Planeten) als auch in den Akkorden der irdischen Musik gefunden bzw. empirisch bestätigt - und jubilierte 1619 am Schluss seines Buches: "Die Himmelsbewegungen sind nichts als ein ununterbrochener Gesang für mehrere Stimmen (die durch den [höheren] Intellekt, nicht durch das Ohr, aufgenommen werden); eine Musik, die durch dissonante Spannungen, durch Synkopen und Kadenzen sozusagen (wie sie die Menschen in Nachahmung dieser natürlichen Dissonanzen verwenden), zu bestimmten urbildlichen, gleichsam sechsstimmigen Schlüssen fortschreitet und dabei Marksteine setzt in dem unermesslichen Strom der Zeit."

Athanasius Kircher: Musurgia universalis, 1650[6]

Dichtung

Auch in der Literatur wurde das Thema häufig verarbeitet. Shakespeare schreibt etwa in seiner Komödie "Der Kaufmann von Venedig":

Sieh das Firmament, wie der Himmelsplan
dicht ausgelegt ist mit Scheiben dichten Goldes.
Jede, auch die kleinste Kugel, die du wahrnimmst
Singt in ihrer Bewegung wie ein Engel
Und gesellt sich zu den Cherubim mit dem ewig jungen Auge.
Solche Harmonie erfüllt die Seelen der Unsterblichen.
Aber solange uns dieser vergängliche Leib aus Staub,
die grobe Umhüllung umkleidet, können wir es nicht hören.
Fludds Monochord[7]

Im „Prolog im Himmel“, den Goethe seinem Faust I voranstellte, verkündet der Erzengel Raphael die Sphärenharmonie:

Die Sonne tönt nach alter Weise
in Brudersphären Wettgesang,
und ihre vorgeschriebne Reise
vollendet sie mit Donnergang

Moderne

Im Zwanzigsten Jahrhundert nahm u.a. der Anthroposoph Rudolf Steiner das Thema wieder auf. Die Sphärenharmonie funktioniere bei den dazu Befähigten bzw. bei den dafür Geschulten über das „geistige Ohr“. "Kommt man vom gewöhnlichen groben Berechnen zum rhythmischen berechnen, wie es für die Sphärenharmonie war die Astrologie, so kommt man vom Rhytmischen berechnen zum Anschauen der Weltenorganisation in Figuren, Zahlen, die da sind in der Astrosophie."[8]

Teilweise auf Keplers Ideen fußt die von Hans Kayser (1891-1964) erarbeitete „Kaysersche Harmonik“, die sich im Sinne der Pythagoreischen Tradition mit dem mathematischen Aspekt der Musik befasst und eine „Harmonie der Welt“ aufzuzeigen versucht. Kaysers Nachfolger Rudolf Haase[9] setzte diese Arbeit fort und gab ihr eine empirische Ausrichtung. Er gründete 1967 das „Hans-Kayser-Institut für Harmonikale Grundlagenforschung“.[10]
Von der Idee faszinierte Musiker waren u.a. Paul Hindemith und Gustav Mahler. 2008 veröffentlichte der britische Pop-Musiker Mike Oldfield mit dem Album Music of the Spheres seine Interpretation der Sphärenmusik.
Neuerdings griff der Physiker Brian Greene, der zu den bekanntesten Vertretern der Stringtheorie gehört, zurück auf die musikalische Metaphorik dieser Naturphilosophie. Er vergleicht die vibrierenden „Strings“ – dieses englische Wort bedeutet „Faden“ oder „Saite“ – wegen ihrer Schwingungsmuster mit Saiten von Musikinstrumenten und meint, der Kosmos sei unter diesem Gesichtspunkt betrachtet „nichts als Musik“.

Jupiter/ Neptun-Konjunktionen: Saturn-Sicht[11]

Siehe auch

Dur- und Moll-Tonarten im Tierkreis[12]

Weblinks

Das Lambdoma: zentrales Diagramm harmonikaler Forschung[13]
Unser Wahrzeichen ist das Lamdoma, wie es sich von Pythagoras bis zu Hans Kayser entwickelt hat. Es ist das Symbol für die lange geschichtliche Entwicklung und die heute immer deutlicher werdende universelle Bedeutung der Harmonik
Planeten und Terzen bei Warm[14]

Literatur

  • Thomas Künne: Die Schwingung der Archetypen: Die Resonanz der Planetentöne in Astrologie, Mythologie und Klangarbeit, Chiron-Verlag, 2. Auflage 2015, 290 Seiten, ISBN-10 3899972341, ISBN-13 978-3899972344
Mit Vorwort von Rüdiger Dahlke
  • Walter Koch: Aspektlehre nach Johannes Kepler. Die Formsymbolik von Ton, Zahl und Aspekt. 96 Seiten. Hamburg, Kosmobiosophische Gesellschaft, 1950, 1952
  • Andreas Bunkahle: Musik, Astrologie und Therapie. Intervallcharakteristik, Tonartencharakteristik, Musikanalyse und Musiktherapie auf der Basis der Astrologie und die mannigfachen Verbindungen zwischen der Musik und der Astrologie. 420 Seiten, Books on Demand, 2018. ISBN 978-3-7460-6513-7
  • Hartmut Warm: Der Sternenorganismus. Aufbau und Weisheit der Sternfiguren. Hamburg, 2022. 464 Seiten, über 400 meist farbige Abbildungen. ISBN 978-3-935958-08-0 Inhaltsverzeichnis und Leseproben
  • Hans Cousto, Thomas Künne: Heilsame Frequenzen: Wie kosmische Schwingungen unser Wohlbefinden fördern. 220 Seiten, Mankau Verlag 2016. ISBN-10: 386374246X ISBN-13: 978-3863742461
  • Joscelyn Godwin (Hrg.): The Harmony of the Spheres. A Sourcebook of the Pythagorean Tradition in Music. Inner Traditions International, Rochester VT 1993, ISBN 0-89281-265-6

Anmerkungen und Quellen

  1. Erläuterungen der Illustration bei Alchemical Symbolism (Adam McLean)
  2. Teilung einer Saite gemäß den Zahlen der den Pythagoreern heiligen Tetraktys
  3. Alhemistische Abbildung
  4. Sein Alterswerk "Harmonices Mundi" beschäftigt sich fast ausschließlich damit
  5. Keplers Sphärenmusik bei math-edu.de
  6. Zu Kirchers "Weltorgel" siehe auch Englische Wikipedia: Musurgia Universalis
  7. Der Monochord (ca. 1600) will veranschaulichen, dass die Welt auf mit den Planeten schwingenden Tönen aufgebaut ist. In seinem mit Carl Gustav Jung verfassten Buch "Naturerklärung und Psyche" schrieb der Physik-Nobelpreisträger Wolfgang Pauli ausführlich über Fludd.
    Siehe auch Wikipedia: Monochord
  8. Rudolf Steiner, (GA 318), S.149
  9. Haase unterrichtete an der Universität für Musik und Darstellende Kunst, Wien
  10. Seit 2002 „Internationales Harmonik-Zentrum“, geleitet von Werner Schulze
  11. Im Verlauf von 8947,37 Jahren. Abbildung/ Farbtafel 8 bei Warm: 700 mal, Start 4.3.2477 v.Chr. Die Punkte geben die Positionen an, die Linien die Verbindungen zwischen zwei chronologisch aufeinander folgenden Stellungen
  12. Triune God = Dreieiniger bzw. Dreifaltiger Gott; Roelant Hollander vermutet Max Heindel als Urheber der Grafik
  13. Das Lambdoma zeigt ein um 45 Grad gekipptes Koordinatensystem, deren x- und y-Achse jeweils die Zahlengerade bis "Unendlich" (liegende Ziffer 8: ∞) enthalten
  14. Hartmut Warms Bildtafel 12: Verhältnisse der Kleinen Halbachsen
    Konstruktion der kleinen Halbachsen (nur bei Mars: Apheldistanz) als Flächenverhältnisse einfacher geometrischer Figuren mit Hilfe von großer und kleiner Terz. Die weißen Kreise stehen für die kleinen Halbachsen der Planeten. Von innen nach außen: Merkur, Venus, Erde, Mars Aphel, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun, Pluto. Die hellblauen Kreisringe weisen die Proportion 5:4, die dunklen 6:5 auf