Statistik

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Statistische Zufallsverteilungen

Geschichte

Astrologen, welche die Anerkennung der Astrologie als Wissenschaft suchen, bemühen häufig die Statistik, um signifikante Übereinstimmungen zwischen dem Stand der Gestirne und Verhaltensweisen von Menschen bzw. bestimmten Geschehnissen zu verdeutlichen. Durch die Heranziehung solcher Empirie (konkreter, messbarer Fakten) soll die Astrologie objektive Beweiskraft erhalten.

Der Franzose Paul Choisnard (Paul Flambart) und der Schweizer Karl Ernst Krafft waren zu Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts die ersten, die sich um eine statistische Bestandsaufnahme astrologischer Zusammenhänge bemühten.

Auf ihren Forschungen baute der Franzose Michel Gauquelin auf, der bis heute als der bedeutendste Statistiker unter den Astrologen gilt. Gauquelin benutzte allerdings keine vollständigen Geburtshoroskope von Menschen, mit einer Zwölfteilung in Horoskophäuser. Sondern er verwendete zunächst achtzehn, später sogar bis zu sechsunddreißig gleich große Horoskopabschnitte ab dem Aszendent als Basis seiner Arbeit, um von den stark unterschiedlichen Häusergrößen der Häusersysteme unabhängig zu sein.
Da Charaktereigenschaften kaum statistisch erfasst werden können, legte er den Schwerpunkt darauf, bei berühmten Persönlichkeiten nach einem Zusammenhang von Beruf und Planetenstellungen zu suchen. Er zog die Horoskope von Ärzten, Wissenschaftlern, Sportlern, Schriftstellern, Schauspielern und Militärs heran. Bei Sportlern fand er den Mars hochsignifikant betont, bei Schauspielern den Jupiter, bei Ärzten und Wissenschaftlern den Saturn. Dieses Phänomen wurde unter dem Namen "Mars-Effekt" bekannt.[1] Als Korrektiv (Kontrollgruppe) für seine Erkenntnisse untersuchte Gauquelin die Horoskope zahlreicher Personen ohne klares Berufsprofil. Bei diesen fand er keine der signifikanten Planetenstellungen[2].
Weitere Arbeiten bauten auf Gauquelins Statistiken sowie seine Datensammlung. Im deutschsprachigen Raum sind vor allem die Psychologie-Professoren Suitbert Ertel und Hans Jürgen Eysenck, sowie Dr. Peter Niehenke zu nennen. Ertel differenzierte seine Untersuchungen nach Geschlechtern, was bei Gauquelin kaum eine Rolle spielte, da er fast nur Horoskope von Männern untersuchte. Dabei kam Ertel unter anderem zu dem Ergebnis, dass der Mars-Effekt bei Sportlerinnen noch ausgeprägter ist als bei männlichen Sportlern.

Aufgrund überwiegend abweichender Ergebnisse bei unabhängigen wissenschaftlichen Nachprüfungen mit neuen Geburtsdaten, besonders nach Gauquelins Tod, konnte seine Planeten-Hypothese nicht repliziert und bestätigt werden. Inzwischen kann von einer Stichprobenverzerrung bei Gauquelins Datenerhebung ausgegangen werden, ebenso von einigen Geburtszeitkorrekturen bei unsicheren Geburtszeiten zugunsten seiner Hypothesen.[3]

Niehenke kam - auf die Tierkreiszeichen bezogen - zu dem Ergebnis, dass Astrologie statistisch kaum nachgewiesen werden könne.

Ende der 1990er-Jahre sorgte Gunter Sachs mit einer umfangreichen statistischen Studie für Aufsehen, die er zusammen mit der Universität München erstellte. Er versuchte herauszufinden, ob nachweisbare Korrelationen zwischen bestimmten Verhaltensweisen und den einzelnen Sternzeichen existieren. Sachs kam zu dem Schluss, dass es zum Beispiel bei der Partnerwahl eine signifikante Häufung in der Kombination bestimmter Zeichen gebe.[4] Astrologen kritisierten an dieser Untersuchung jedoch vor allem, dass sie lediglich das Sonnenzeichen, das sogenannte Sternzeichen berücksichtigte, und sie es außerdem versäumte, eine statistische Durchschnittsverteilung für beliebige andere Zeiträume innerhalb des Jahres (z.B. Monate statt Tierkreiszeichen) als Kontrollgröße aufzustellen.

Verschiedene statistische Untersuchungen veröffentlichte Siegfried Schiemenz in mehreren Büchern. Eine neuere statistische Arbeit ist die von Harald Hoffmann über Paarbeziehungen.

Hoffmanns Buch

Kocku von Stuckrad bilanziert [5]: "Die Ergebnisse derartiger [empirischer] Studien sind insgesamt für die Astrologie enttäuschend... Eine objektive und konsensfähige Studie, die das "Funktionieren" der Astrologie eindeutig belegen könnte, liegt nicht vor." Zu Niehenkes ernüchternden Resultaten meint er: "Die Konsequenz, aufgrund der eigenen Forschungen die Gültigkeit astrologischer Aussagen in Zweifel zu ziehen, zog der Astrologe und langjährige Vorsitzende des Deutschen Astrologen-Verbandes jedoch nicht. Im Resümee der Arbeit führt er aus, dass er ja täglich in seiner astrologischen Praxis bestätigt finde, wie genau und erfolgreich die Sternkunde sei. «[Ich folge] hier meiner eigenen eingeborenen Vernunft, die sich durch die Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen zur Astrologie [...] nicht leichtfertig irre machen lässt».[6] Damit ist Niehenke ein gutes Beispiel für die Irrelevanz statistischer Befunde..."

Einwände

Stuckrads Folgerung (S. 365): Astrologie sei "Hermeneutik statt exakter Wissenschaft!". Und (S. 368) "... was Girolamo Cardano schon im sechzehnten Jahrhundert wusste: Die Astrologie ist keine mathematische, sondern eine hermeneutische Disziplin. Sie generiert aus objektiv gegebenen Daten (dem Horoskop) ein für Berater und Klienten evidentes Bild der Persönlichkeit. Sie ist nicht Messung der Zeit, sondern Deutung."

Deutungen vor allem in der Psychologischen Astrologie sind häufig kasuistisch orientiert, das heißt am Einzelfall in Zusammenarbeit mit dem Klienten. Eine Deutung unter Laborbedingungen ist aus dieser Sicht nicht möglich bzw. kann es nach Ansicht etlicher Psychologischen Astrologen gar nicht geben, zumal sich reales Leben und Lebensbewältigung nicht standardisieren bzw. nur bedingt simulieren lassen.[7][8]

Siehe auch

Versuchsanordnung Radieschen-Aussaat Maria Thuns[9]

Weblinks

Karl Popper zu Wissenschaft, Pseudowissenschaft und Metaphysik im Falle der Astrologie
Über die Probleme der statistischen Erfassbarkeit der Astrologie

Literatur

  • Harald Hoffmann: Astrologie der Paarbeziehungen, 280 S., BoD Norderstedt 2013
Statistiken zu Scheidungen und Trennungen; Trennungswahrscheinlichkeiten. Unabhängigkeitstests mit getrennten und ungetrennten Paaren ergaben, dass es etliche Horoskop- und Interaspekte gibt, die man bei Getrennten signifikant häufiger oder seltener findet. Planeten in Häusern und Tierkreiszeichen zeigten keine Signifikanzen.
Siehe auch Hamburger Hefte No. 175/ 2014, Seite 53
  • Shawn Carlson (1985): A Double-blind Test of Astrology Nature, 318: S.419-425 online (kostenpflichtig)

Quellen und Anmerkungen

  1. Unter hochsignifikanter Betonung ist zu verstehen, dass sich die genannten Planeten in der Nähe von Aszendent oder Medium coeli - in zweiter Linie auch von Deszendent oder Imum coeli - befinden, und zwar, im Tierkreissinn gedacht, kurz davor, das heißt im Falle des Aszendenten im zwölften Haus, im Falle des Medium coeli im neunten Haus. Diese Position vor den Achsen widerspricht eigentlich jedoch der astrologischen Tradition
  2. Michel Gauquelin: Kosmische Einflüsse auf menschliches Verhalten. Hermann Bauer Verlag, 1983 ISBN 3762606064
  3. Andreas Hergovich: Die Psychologie der Astrologie. Verlag Hans Huber, Bern 2005, S. 122-127.
  4. "Wir wollten ... mit einer breit angelegten wissenschaftlichen Studie einen möglichen Einfluss der Sternzeichen auf das menschliche Verhalten überprüfen. ... Am Ende unserer Arbeit, nach der Computer-Auswertung von Millionen Daten, steht so der statistische Nachweis, dass Sternzeichen in allen von uns untersuchten Bereichen einen gewissen Einfluss auf das Verhalten von Menschen ausüben." Gunter Sachs, in: Die Akte Astrologie. München 1997. S. 9, 14.
  5. Kocku von Stuckrad: Geschichte der Astrologie: Von den Anfängen bis zur Gegenwart. C.H. Beck, München 2003; 2007 ISBN 978-3406547775 S. 359 - 365
  6. Peter Niehenke: Kritische Astrologie. Zur erkenntnistheoretischen und empirisch-psychologischen Prüfung ihres Anspruchs (Dissertation). Aurum (J. Kamphausen Verlag) 1987 ISBN 359108252X S. 194
  7. Schubert-Weller, Spricht Gott durch die Sterne?, S. 75
  8. Richard Vetter: Der subjektive und projektive Charakter der Astrologie., Online-Astrologiezeitung Loop 2012, abgerufen 12.1.2019
  9. Gute Ergebnisse wurden erzielt bei einem Mondstand in Jungfrau oder Steinbock, schlechte bei Mond am Merkurknoten, aufgeplatzte Radieschen gab es bei Mond im Perigäum. Thun arbeitete allerdings mit ihrem sogenannten "Faktischen" Tierkreis