Stern von Bethlehem

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Die drei Weisen aus dem Morgenland und der Stern, dem sie folgen[1]

Der Evangelist Matthäus regte durch die Beschreibung eines Sternes, der zur Geburt Jesu erschienen sei und drei so genannte "Magier" ("Weise", Sterndeuter) aus dem Osten zu dem Geburtsort leitete, die Phantasie der Menschen bis heute an. In seinem Evangelium heißt es: "Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, zog vor ihnen her, bis er schließlich über dem Ort stehen blieb, wo das Kind war." Die Spekulationen darüber, um was für eine Art von Himmelserscheinung es sich dabei handelte, wuchern noch immer.

Theorien

Konjunktionstheorien

Zu den astrologisch wahrscheinlichsten zählt eine Dreifachkonjunktion von Jupiter und Saturn, die im Mai, Oktober und Dezember des Jahres 7 vor Christus im Sternbild der Fische stattfand (die alle zwanzig Jahre erfolgende Konjunktion von Jupiter und Saturn wird als Große Konjunktion bezeichnet). Die Symbolik passt zur christlichen Heilsbotschaft, denn Jupiter steht astrologisch für einen Herrscher oder König, wohingegen Saturn das Volk Israel darstellt. Darüber hinaus offenbart der Mythos von Kronos (lateinisch Saturn) eine interessante Parallele zu den biblischen Texten: Kronos verschlang alle seine Kinder, aus Angst, einer seiner Söhne könne ihn später entmachten. Aus demselben Grund ließ der biblische König Herodes alle Knaben in seinem Land unter zwei Jahren töten.

De Stella nova in pede Serpentarii, die Keplers Supernova angibt

Nicht zuletzt wird das Christentum dem Fischezeitalter zugeordnet.

Annegret Becker-Baumann: Auch der Astronom Konradin Ferrari d’Occhieppo aus Wien vertritt diese These [vom Jahr 7 v.Chr.], die er mit einem weiteren Himmelsphänomen untermauert, dem Zodiakallicht, auch Tierkreislicht genannt. Das Zodiakallicht ist ein seltenes astronomisches Phänomen, das nur in sehr dunklen Nächten sichtbar ist. Nach seiner Meinung standen Jupiter und Saturn an der Spitze eines Zodiakallichtkegels, dessen Achse auf Bethlehem zeigte, als die Weisen in Jerusalem angekommen waren.[2]

Eine andere in Frage kommende Konjunktion ist die von Jupiter und Venus, die allerdings relativ häufig (jedes Jahr) eintritt. Auch hier ist die Symbolik stimmig: Der Planet des Königs trifft den Planeten der Liebe, denn dies war die Essenz der christlichen Botschaft.

Das ist auch die Überzeugung von Dieter Koch. Ihm zufolge war der Stern von Bethlehem die Venus, welche nach einer Phase der Unsichtbarkeit wieder als Morgenstern sichtbar wurde.[3]

Eine dritte mögliche Konjunktion ist die von Jupiter mit Regulus, dem hellsten Fixstern des Löwe-Sternbilds, im selben Zeitraum.

Kometentheorie

Es gibt noch weitere Deutungen: Eine sieht in dem Stern von Bethlehem einen 'Kometen.

Die christliche Theologie des zweiten Jahrhunderts, die vom Hellenismus und griechischer Metaphysik beeinflusst war, begann schon früh mit der Suche nach dem Stern von Betlehem. Origenes (185 bis ca. 253), Theologe aus der hellenistischen Schule Alexandrias (Ägypten) und Vorsteher der Theologenschule von Cäsarea, vertrat wohl als einer der ersten die Meinung, der Stern sei ein Komet im Sinne des Pythagoras von Samos gewesen.[4] Seit Beginn des 14. Jahrhunderts stellten Künstler schließlich den Stern als Kometen dar: so als einer der ersten Giotto di Bondone aus Florenz, nachdem er 1301 den Halleyschen Kometen beobachtet hatte.

Gegen die Kometentheorie spricht allerdings:

  • Der Halleysche Komet war zwischen Oktober 12 v.Chr. und Februar 11 v.Chr. sichtbar, und der Erde am nächsten war er am 29.12. 12 v.Chr. Die Geburt Jesu wird historisch dagegen zwischen 7 und 4 v.Chr. (Tod des Herodes) angesetzt.
  • Kometen sind irregulär auftauchende Himmelskörper, die nach dem Volksglauben um Christi Geburt meist mit Unheil, nicht mit Heil, verbunden wurden.
  • Woher wussten die Weisen aus dem Osten, dass gerade dieser Komet mit der Geburt eines bestimmten Königs in Israel und Jerusalem zusammenhängen sollte?
  • Warum fiel ein Komet um die Zeit der Geburt Jesu zwar den Weisen aus der Ferne, aber nicht den Jerusalemern und sonstigen Judäern in der Nähe auf?
  • Ein Komet hätte keinen exakten Ort markiert und wäre nicht an einer bestimmten Stelle "stehengeblieben".
Serie Großer Konjunktionen in Keplers Stella Nova (1606)

Supernovatheorie

Noch eine andere Überlegung vermutet eine Nova oder Supernova, ein Phänomen, bei dem ein Stern (ein sogenannter "Roter Riese") seine äußere Gashülle abstößt bzw. regelrecht explodiert und für einige Wochen millionenfach heller leuchtet als sonst. Chinesische und koreanische Quellen berichten zwar von einer Supernova im März/ April des Jahres 5 vor Christus, die zehn Wochen lang zu sehen gewesen sein soll. Von ihr fehlt jedoch jegliche Erwähnung in antiken abendländischen Quellen, welche zu jener Zeit in der Himmelsbeobachtung ausgesprochen versiert waren. Ein solches Ereignis wäre von den Astrologen im Mittelmeerraum mit Sicherheit wahrgenommen und aufgezeichnet worden.

Aufgrund je spezifischer Einwände ist bisher keine der Theorien wissenschaftlich anerkannt. Vielleicht gehört es zur Faszination des Sternes von Bethlehem, dass sein Rätsel niemals gelöst werden kann, weil es Matthäus gar nicht darum ging, ein konkretes Himmelsereignis zu beschreiben, sondern ein mythisches Bild zu schaffen, das der Geburt des Erlösers angemessen war.

Horoskoptheorie

Der US-Astronom Michael Molnar veröffentlichte 1999 eine neue Theorie zum Stern von Betlehem: Er nimmt an, die magoi von Matthäus 2 seien Astrologen aus Mesopotamien (damals „Chaldäer“ genannt) gewesen, die sich an Horoskopen orientiert hätten. Sie seien nicht wegen eines Kometen, einer Konjunktion oder Nova nach Judäa gereist, sondern wegen einer bestimmten, geometrisch berechneten Relation zwischen Planeten und Sternbildern, die sie als Vorhersage der Geburt eines mächtigen Königs in Judäa deuteten. Er zog dazu griechische und römische Horoskope heran, die mit damaligen Königsgeburten in Verbindung gebracht wurden. Die Tetrabiblos des Claudius Ptolemäus, eine Zusammenstellung damaliger astrologischer Theorien, ordnete die von den Herodianern beherrschten Gebiete, darunter Judäa, dem Sternbild Aries zu. Demnach hätten damalige Astrologen eine Königsgeburt unter dem Zeichen des Widders in Judäa lokalisiert. Daraufhin suchte Molnar eine Planetenkonstellation, die für sie eine besonders bedeutende Königsgeburt in Judäa vorhergesagt haben könne:

Am 17. April des Jahres 6 v.Chr. habe Jupiter seinen heliakischen Aufgang im Sternbild Widder gehabt, und die Sonne sei darin ebenso wie die Venus „exaltiert“ gewesen. Dies hätten damalige Astrologen als Zeichen besonderer Macht gedeutet. Die „Regenten der Widderdreiheit“ seien alle in diesem Sternbild versammelt gewesen, Sonne und Mond hätten ihre planetarischen „Diener“ nahebei gehabt. Zudem sei noch am selben Tag eine Jupiterbedeckung durch den Mond erfolgt. Dieses außergewöhnliche Zusammentreffen könne die Astrologen tatsächlich zur Reise nach Judäa veranlasst haben. Deshalb seien sie nach Westen gezogen, obwohl die von Matthäus 2 überlieferte Aussage „wir haben seinen Stern hervorkommen gesehen“ für sie den heliakischen Aufgang – also im Osten – bedeutete. Auch dass sie zuerst nach Jerusalem zogen, der Haupt- und Königsstadt Judäas, sei so erklärlich. Dort könnten sie nach Details aus den Prophezeiungen gefragt haben, um mehr über den möglichen Geburtsort Jesu zu erfahren. Das damalige Desinteresse der Judäer an Astrologie erkläre, dass keine damalige jüdische Quelle eine Himmelserscheinung vermerkte.[5] Eine weitere Konjunktion ereignete sich am 19. Dezember −6.

Molnars Theorie gilt manchen Autoren als Lösungsangebot für einige Schwächen der Kometen-, Konjunktions- und Nova-Theorien.[6] Unbelegt ist, dass Planetenkonstellationen um die Zeitenwende in Mesopotamien tatsächlich so gedeutet wurden, wie es das Tetrabiblos aus dem 2. Jahrhundert nahelegt. Dieses Werk gilt als Kompendium für die Hellenistische Astrologie.[7] Auch dann bleibt offen, wie der Jupiteraufgang im Osten die Sterndeuter genau an den Geburtsort Jesu leitete, wie ihr Bericht davon zu einem Evangelisten gelangte und warum damalige jüdische Quellen davon schweigen.

Assyrische Weise unterwegs zu einer Zeremonie: Vorläufermotiv zur Anbetung der Könige[8]

Siehe auch

Die astrologia iudicialis stieß bei der Kirche vor allem deswegen auf Kritik, weil sie mit dem christlichen Dogma von der menschlichen Willensfreiheit in grundsätzlichen Konflikt geriet[9], ebenso mit der Annahme der göttlichen Entscheidungsfreiheit. Theologen, die auch Horoskope erstellten, wie beispielsweise Luthers Mitstreiter Melanchthon, mussten ihre - als Aberglauben, oder gar "häretisch" (Irrlehre) titulierte - Astrologie deswegen immer wieder verteidigen und riskierten die Gefahr einer Verfolgung durch die Inqisition.
Bethlehem lag zwischen Ägypten und Babylonien

Weblinks

Das "blasphemische" Jesus-Horoskop von Dieter Koch
Das Horoskop Jesu bzw. das Datum der Geburt Jesu: Es handelt sich um den 1. September 2 v.u.Z. (astronomisch -1), 4.30 Uhr morgens
Jesus wurde nicht im Jahr „Null“ geboren. Die drei Weisen gab es nicht.
Nach Ansicht vieler Wissenschaftler sind die biblisch verklärten drei Weisen aus dem Morgenland reine Fiktion

Literatur

  • Johannes Kepler: Widerholter Außführlicher Teutscher Bericht, Das vnser Herr vnd Hailand Jesus Christus nit nuhr ein Jahr vor dem anfang vnserer heutiges tags gebreuchigen Jahrzahl geboren sey 125 Seiten. Ledertz Straßburg 1613
  • Peter Barthel und George van Kooten (Hrg.), The Star of Bethlehem and the Magi, published by Brill in Leiden/ NL, 2015 Pre-edited copy of chapter 3
  • Dieter Koch: Der Stern von Bethlehem, Verlag der Häretischen Blätter, 2. (erw.) Auflage 2010, 291 S. ISBN 9783931806088
  • Michael R. Molnar: The Star of Bethlehem: The Legacy of the Magi. Rutgers University Press, 1999, ISBN 0-8135-2701-5. Auszug bei Google Books
  • Courtney Roberts, The Star of the Magi - The Mystery that Heralded the Coming of Christ, 223 Seiten. New Page Books, 2007; ISBN 978-1564149626 Review online (Garry Phillipson, 2007)

Quellen und Anmerkungen

  1. Kaspar, Melchior und Balthasar. Mosaik aus Sant’Apollinare Nuovo in Ravenna, um 565
  2. Annegret Becker-Baumann: Der Stern von Bethlehem - – eine astrologische Geschichte, Meridian 6/ 2018
  3. Dieter Koch: Der Weihnachtsstern. In: merCur 6/ 98. S. 30ff.
  4. Pythagoras sah Kometen schon im modernen Sinne, als regelmäßig wiederkehrende Himmelskörper
  5. Michael R. Molnar: The Star of Bethlehem: The Legacy of the Magi. Rutgers University Press, 1999, ISBN 0-8135-2701-5, S. 30 f.
  6. Ilse Maas-Steinhoff, Joachim Grade: Stadtbürger im Schutz ihrer Heiligen: neue Beiträge zur mittelalterlichen Kunst und Stadtkultur in Soest. Klartext, 2003, ISBN 3-89861-216-3, S. 83; Bild der Wissenschaft, Ausgaben 7-12, Deutsche Verlags-Anstalt, 2000, S. 413.
  7. Benson Bobrick: The Fated Sky: Astrology in History. Simon & Schuster, 2006, ISBN 0-7432-6895-4
  8. Illustration aus National Geographic - Wissen kompakt: Mesopotamien, 2018
  9. Mentgen, Gerd: Astrologie und Öffentlichkeit im Mittelalter. Verlag Anton Hirsemann, Stuttgart 2005, S. 7