Indische Astrologie

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In Indien sind Astrologie und Religion (Hinduismus) eng verbunden

Synonyme: Jyotish, Vedische Astrologie

Die indische Astrologie ist eine einzigartige Synthese aus babylonischen und hellenistischen Elementen sowie der hinduistischen Religion, wie sie in den Veden überliefert ist. Ihre Basis ist jedoch die gleiche wie im Abendland. Durch das ganz andere kulturelle und religiöse Umfeld, mit dem die babylonische Sterndeutung östlich des Indus konfrontiert wurde, entwickelte sich aber ein System, das den Europäern auf den ersten Blick fremd erscheint.

Geschichte

Um 1500 vor unserer Zeitrechnung besiedelten indogermanische Völker aus dem Nordwesten den indischen Subkontinent. Sie nannten sich selbst Aryer (= "Edle") und waren die Begründer der hinduistischen Religion. Dieser Glaube zeichnete sich aus durch die Karmalehre, den Glauben an eine Wiederverkörperung sowie das hierarchische Kastensystem. Im Volksglauben gewann die Überzeugung weiten Raum, wonach das eigene Schicksal die Folge vergangener Taten sei und deshalb fatalistisch angenommen werden müsse. Dies beeinflusste auch die Entwicklung der indischen Astrologie.

Die Aryer trafen bei ihrer Eroberung Indiens auf eine Hochkultur drawidischer Völker im Industal sowie auf die Nachkommen vorgeschichtlicher Einwanderer, die heute als Adivasi (= Ureinwohner) bezeichnet werden. Die vor-aryschen Völker pflegten einen ausgeprägten Mondkult; über ihr sonstiges astrologisches System ist allerdings wenig bekannt.

Tierkreis-Symbole auf der Terasse eines indischen Tempels[1]

Astrologie und Gesellschaft in Indien

Während es im Europa des 18. Jahrhunderts zur "Aufklärung" kam und man sich anschließend von Religion und Kirche sowie von deren Dogmen immer mehr distanzierte, erfolgte in Indien keine vergleichbare Trennung bzw. Säkularisierung und Entmythifizierung. Mit Rationalität und Empirie tun sich auch noch moderne indische Astrologen schwer - etwa wenn manche von ihnen (historisch nicht belegt) die Anfänge ihrer Wissenschaft Jahrtausende zurückdatieren, die mesopotamischen Wurzeln auch ihrer Astrologie leugnen oder sie gar als eine göttliche ("vedische") Offenbarung bezeichnen, und auf deren kritische Infragestellung sehr empfindlich reagieren.

In der Welt des normalen Inders ist die Astrologie - als integraler Bestandteil von Kultus und Religion - immer noch stark verwurzelt. Rolf Baltensperger schreibt dazu auf seiner Website: "Vor allem in den ländlichen Gegenden hat das Kastensystem nach wie vor einen starken Einfluss. Traditionell gehört ein Astrologe der höchsten Kaste, den Brahmanen (Priester) an. Einen Astrologen um Rat zu fragen, kostet etwas und das schließt schon sehr viele Inder davon aus, für wichtige Entscheide oder vor wichtigen Ritualen (z.B. Hochzeit) auch einen guten Astrologen für die Wahl eines günstigen Zeitpunktes bei zuziehen. Es gehört zum Alltag, dass Astrologen, Handleser und auch Orakeldeuter ihre Dienste auf dem Marktplatz anbieten...

Da die genaue Geburtszeit oft nicht verfügbar ist, wird viel mit der Stundenastrologie und dem Panchang gearbeitet. Die Stundenastrologie bzw. vielmehr die Astrologie der Frage-Horoskope scheint eine indische oder auch indisch-persische Entwicklung sein, die erstmals im 6. Jh. in Indien vollständig greifbar wird und nicht vor dem achten Jahrhundert über die Arabische Astrologie in den Westen gelangte.[2] Die Deutung einer Radix nimmt einen viel geringeren Stellenwert ein als im Westen, wo die psychologische Deutung eines Geburtshoroskopes dominiert. Die Fragen an den Astrologen sind meist sehr konkreter Natur, so dass häufig ein Prasna (Fragehoroskop) oder ein Muharta (Elektionshoroskop) gestellt wird. Im Mittelpunkt stehen Fragen zu wichtigen Vorhaben, welche im Einklang mit den Göttern umgesetzt werden sollen. Eine Geschäftseröffnung etwa, eine Einweihung oder eine Grundsteinlegung wird nicht dem Zufall und einem freien Platz im Terminkalender überlassen, diese Zeitpunkte werden sorgfältig gewählt, damit die Sache auch den gewünschten Ausgang nimmt. Die meisten Ehen in Indien werden immer noch nach astrologischen Gesichtspunkten im voraus arrangiert. Es ist für einen indischen Astrologen eine bedeutende Aufgabe, die nach astrologischen Gesichtspunkten beste Auswahl aus möglichen Partnern zu empfehlen."[3]

Gemeinsamkeiten mit der abendländischen Astrologie

Im Gegensatz zu dem anderen großen asiatischen System, der chinesischen Astrologie, benutzt die indische den von den Babyloniern entwickelten Tierkreis mit den uns bekannten Tierkreiszeichen. Darin bewegen sich die sieben (klassischen) Planeten sowie der aufsteigende und der absteigende Mondknoten. Das ergibt neun wichtige Punkte, eine in der indischen Mythologie besonders wichtige Zahl. Die Planeten sind denselben Tagen zugeordnet wie im Abendland. Zudem arbeitet die indische Astrologie mit zwölf Häusern und deren Herrschern sowie mit den Aspekten zwischen den Planeten.

Unterschiede zur westlichen Astrologie

Ost-Indischer Horoskopstil

Damit endet die Gemeinsamkeit mit der abendländischen Astrologie. (Die besondere Form der indischen Astrologie entwickelte sich aus den Einflüssen des Hinduismus, aber auch aus älteren Traditionen.)

Die wesentlichen Unterschiede zur abendländischen Astrologie liegen in der Rolle des Mondes und der Mondknoten, in der Benutzung des siderischen Tierkreises, in der Anordnung und Zählung der Häuser, der Unterteilung in zahlreiche Abschnitte und Planetenperioden sowie in bestimmten Prognose- und Deutungsmethoden, die eng mit der Karmalehre zusammenhängen.

Gearbeitet wird mit äqualen Häusern (siehe Häusersystem), die im Uhrzeigersinn - also entgegengesetzt zum abendländischen Horoskop - angeordnet werden. Die graphische Darstellung ist rechteckig.

Die meisten indischen Astrologen benutzen als Basis für das Horoskop den siderischen Tierkreis[4]. Dessen Abweichung, die sich aufgrund der Präzession zum feststehenden tropischen Tierkreis ergibt, wird als Ayanamsha[5] bezeichnet.

Die erst in der Neuzeit entdeckten transsaturnischen Planeten Uranus, Neptun und Pluto spielen in der indischen Astrologie bis heute kaum eine Rolle, obwohl manche indische Astrologen sie in ihre Arbeit doch mit einbeziehen.

Mondhäuser

Der Mond nimmt in der indischen Astrologie eine überragende Stellung ein. Er ist nicht eines von mehreren Himmelslichtern, die ihren Teil zu der Gesamtschau beitragen, sondern das wesentliche. Man kann sogar von einer Mond-Astrologie sprechen, denn es gibt die Tradition, den Tierkreis in 27 Mondhäuser zu je 13 Grad 20 Minuten Länge zu unterteilen. Poetisch wird entsprechend auch von den "27 Frauen des Mondes" gesprochen. Auf Hindi heißen sie Nakshatras. Die Größe eines Mondhauses entspricht genau dem durchschnittlichen Lauf des Mondes an einem Tag. In der indischen Mythologie ist der Mond mit 27 Schwestern vermählt, von denen er an jedem Tag eine andere besucht. Auf seiner Reise verliert er immer mehr an Kraft, bis er sich am tiefsten Punkt schließlich wieder erholt und seine Energie erneut zunimmt.

Die Stellung des Mondes in seinen Häusern beeinflusst das Leben auf der Erde in besonderem Maße. Vereinfacht lässt sich sagen, dass ein zunehmender Mond als günstig und ein abnehmender Mond als ungünstig gilt.

Sri Yukteswar, indischer Yogi und Guru[6]

Mondknoten

Auch den Mondknoten wird eine große Bedeutung beigemessen. Den aufsteigende Mondknoten nennt man Rahu, den absteigenden Ketu. Sie werden beide als sehr negativ bewertet. In der Mythologie war der Mondknoten ein Drache, der die Götter stürzen wollte. Dies gelang ihm allerdings nicht, denn er wurde vom Sonnengott enthauptet. Zuvor hatte sein Kopf jedoch bereits vom unsterblichen Göttertrank gekostet, sodass er zu den Göttlichen gezählt wurde.

Unterteilung des Tierkreises

Eine weitere Besonderheit ist die Aufteilung des Tierkreises sowie der Planetenumläufe in immer kleinere Abschnitte. Gebräuchlich sind Dekanate, Abschnitte von 10 Grad, sowie Navamshas, Abschnitte von 3 Grad 20 Minuten, die sich aus der Teilung eines Zeichens durch die mythische Zahl Neun ergeben. Zugleich umfassen sie ein Viertel eines Mondhauses. Durch diese Methoden wird eine zu stellende Prognose verfeinert. Dem gleichen Zweck dient auch die Unterteilung einer Lebensspanne in so genannte Dashas. Diese wiederum werden in Unterperioden, sogenannte Bhuktis aufgeteilt. Die Dashas werden aufgrund des Mondstandes im Geburtshoroskop errechnet (also auch nach den Nakshatras).

Determinismus

Schließlich ist die indische Astrologie von Eigenschaften gekennzeichnet, die jahrhundertelang auch die abendländische prägten. Die Planeten, Zeichen und Häuser sind starken Wertungen unterworfen. Das fünfte und das neunte Haus gelten zum Beispiel als besonders günstig, als negativ andrerseits das zwölfte Haus (als "Verlust"), und das sechste (als "feindlich"). Diese starren Zuordnungen bereiten gar einem Fatalismus den Boden. Die Karmalehre, wie sie vom durchschnittlichen Inder verstanden wird, leistet einen zusätzlichen Beitrag.

Hintergrund und Philosophie ist, die jetzige Existenz als Resultat seiner vergangenen Leben annehmen zu müssen. Das Horoskop zeigt demnach das individuelle Schicksal und die Bestimmung an, ändern kann man an ihm nichts. Wenn ohnehin alles vorherbestimmt ist, kommt der Astrologie die Rolle zu, die Zukunft zu offenbaren. Insofern ist die Prognose das wichtigste Anwendungsgebiet der indischen Astrologie.

Die emanzipierte Form des hinduistischen Verständnisses sieht in der Karmalehre allerdings keinen Determinismus. Sie betont, dass Karma in jedem Augenblick neu geschaffen wird, der Mensch demnach der Schöpfer seines eigenen Schicksals sei. Auf dieser Basis kommt der astrologischen Prognose eine andere Bedeutung zu. Sie offenbart nicht, was sich ohnehin ereignet, sondern kann günstige und ungünstige Einflüsse auf ein bestimmtes Unternehmungen erkennen und entsprechende Ratschläge geben.

Horoskop der Schauspielerin Julia Roberts, indisch (links) und westlich[7]

Todesprognosen

Bei der Prognose spielt auch die Vorhersage des Todes eine wichtige Rolle. In Indien ist der Tod bei weitem nicht so tabuisiert wie im Abendland. Die Menschen gehen selbstverständlicher damit um. Die Vorhersage des Todes ist deshalb den Menschen im hinduistischen Weltbild eine große Hilfe, um das eigene Karma für das nächste Leben zu verbessern. Verbreitete Praxis ist auch, dass Angehörige ein Horoskop auf das Todesdatum eines Verstorbenen erstellen lassen, weil sie sich davon Auskunft über dessen Wiedergeburt versprechen.

Siehe auch

Weblinks

Indisches Horoskop-Portät[8]

Literatur

  • Richard Houck: Hindu Astrology Lessons: 36 Teachers Share Their Wisdom 250 Seiten. Groundswell Press 1997 ISBN 0964161265 ISBN 978-0964161269 (englisch)
  • Gudrun Schellenbeck und Nicholas Lewis: Praxisbuch der Vedischen Astrologie Chiron Verlag, Tübingen 2003
  • Komilla Sutton: Indische Astrologie: Grundlagen der vedischen Horoskopdeutung 352 Seiten. Chiron Verlag, 2003 ISBN 978-3925100918
  • David Frawley: Astrologie der Seher, Die große Einführung in die spirituellen und yogischen Grundlagen vedischer Astrologie. Windpferd: 2003
  • David Pingree: From Alexandria to Baghdad to Byzantium. The Transmission of Astrology, in: International Journal of the Classical Tradition. Sommer 2001, Vol. 8, Ausgabe 1, S. 3–35

Quellen und Anmerkungen

  1. In Kanipakam, Andhra Pradesh/ Indien
  2. Chris Brennan: The Katarche of Horary In: National Council for Geocosmic Research Journal, 2007, S. 14 online
  3. Von Rolf Baltenspergers Website "Indische Kultur" (2001)
  4. Dieter Koch: Was ist dran am siderischen Tierkreis? (2007)
  5. Es gibt über zwanzig differierende Ayanamshas, je nach Schule
  6. Lehrer Yoganandas. Photo von 1905
  7. Julia Roberts wurde geboren am 28.10.1967 in Atlanta, Georgia/USA
  8. Mit blauhäutigem Krishna